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Stress, extreme Emotionen und Unsicherheit tauchen im Alltag von Unternehmerinnen und Unternehmern regelmäßig auf. In solch schwierigen Phasen ist Resilienz unerlässlich. Menschen mit ausgeprägter Resilienz erleben zwar auch negative Emotionen wie Ärger, Angst oder Verzweiflung, wie der Psychologe und Psychotherapeut Denis Mourlane erklärt. Doch sie bleiben optimistisch und zielorientiert.
Doch lässt sich Resilienz trainieren? Ja! Mental widerstandsfähige Menschen können ihre eigenen Bedürfnisse erkennen und sorgen dafür, dass ihre Grundbedürfnisse erfüllt werden.
Diese vier psychischen Grundbedürfnisse hat erstmals der inzwischen verstorbene Psychologe und Psychotherapieforscher Klaus Grawe in den 1990er Jahren formuliert:
Die vier Grundbedürfnisse nach Grawe
Grawe ging in seiner Konsistenztheorie davon aus, dass wir Menschen psychische Grundbedürfnisse haben. Werden diese vier psychischen Grundbedürfnisse dauerhaft nicht erfüllt, werden wir krank. Wenn wir beispielsweise über einen längeren Zeitraum keine sozialen Kontakte haben, dann leiden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit unter starken Einsamkeitsgefühlen und entwickeln womöglich sogar eine depressive Erkrankung.
„Um gut durch Krisen und schwierige Phasen zu kommen, ist es deshalb wichtig, Einfluss auf die vier Grundbedürfnisse zu nehmen“, erklärt Denis Mourlane. Besonders Führungskräfte sollten täglich dafür sorgen, dass ihre psychologischen Grundbedürfnisse befriedigt werden. „Wer eine Verantwortung für andere hat, sollte gut auf sich achten“, sagt er. Das sei wie beim Druckabfall im Flugzeug: Zuerst die Atemmaske selbst aufsetzen; nur dann kann man auch dem Kind auf dem Nachbarsitz helfen.
1. Bedürfnis nach Kontrolle
So geht’s: Nimm den Verlauf deines Lebens selbst in die Hand.
Wir fühlen uns sicher, wenn wir eine Situation selbst kontrollieren können und das Gefühl haben, ein Ziel aus eigener Kraft erreichen zu können. Unser Kontrollbedürfnis wird durch einen möglichst großen Handlungsspielraum befriedigt. Wenn Situationen nicht vorhersehbar sind und wir keinen Einfluss auf sie nehmen können, wird dieses Grundbedürfnis verletzt. Überleg also: Wie bekomme ich Kontrolle über die Situation?
Der Psychologe und Psychotherapeut Klaus Sejkora aus Linz empfiehlt, ein Gefühlstagebuch zu schreiben. Notier dir dazu jeden Tag, was du wann gefühlt hast: Angst, Scham, Freude, Trauer, Wut. Es sei ein Mythos, dass Chefinnen und Chefs keine Gefühle haben dürfen. „Erst wenn die Gefühle da sein dürfen, kann man auch wieder klar denken. Vorher ist das Denken blockiert“, erklärt er.
2. Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung
So geht’s: Schaff dir erfreuliche Erfahrungen.
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer erleben Stresssituationen und müssen sich in ihrer Firma um Dinge kümmern, die wenig Spaß machen. Doch wir Menschen brauchen Dinge, die uns Freude bereiten. Sonst geht es uns irgendwann schlecht. Was ein Mensch als lustvolle Erfahrung erlebt, ist sehr individuell. Der eine liebt es, eine knifflige Aufgabe zu lösen, die andere liest gern ein spannendes Buch oder trinkt einen guten Wein.
Stell dir die Frage: Was macht mir Freude und wie kann ich das in der aktuellen Situation noch ausleben? Gönn dir nach einem langen Arbeitstag beispielsweise einen ausgedehnten Spaziergang oder ein selbstgekochtes Drei-Gänge-Menü.
3. Bedürfnis nach Bindung
So geht’s: Pfleg den Kontakt zu Menschen.
Menschen haben das Bedürfnis nach anderen Menschen. Fehlende Bindung wirkt sich immens auf unser Wohlbefinden, unsere geistige wie körperliche Gesundheit aus. Einsame Menschen sind öfter krank und sterben früher.
Überleg dir: Wie kann ich meine Beziehungen zu anderen Menschen pflegen? Auch der Psychologe Sejkora empfiehlt: „Gerade in Krisenzeiten braucht man jemanden, dem man sein Herz ausschütten kann.“ Wenn du deine Familie vor deinen negativen Gedanken schützen willst, könntest du dir einen guten Freund oder auch einen professionellen Coach für ein solches Gespräch suchen.
4. Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung
So geht’s: Sorg dafür, dass du dich erfolgreich fühlst.
Jeder Mensch möchte wertgeschätzt werden. Wir wollen erfolgreich sein und für unsere Fähigkeiten geschätzt werden. Besonders, wenn es dem eigenen Unternehmen nicht gut geht, kommen Chefinnen und Chefs schon mal ins Zweifeln. Wird das Selbstwertgefühl verletzt, erhöht sich das Risiko einer psychischen Erkrankung. Wir brauchen daher eine wertschätzende Umgebung, die uns Erfolg zutraut und uns unterstützt.
Mach dir deine Ergebnisse und die Arbeit dahinter deutlich. Frag dich: Wo bekomme ich aktuell Bestätigung? Der Psychologe Klaus Sejkora rät, sich bewusst zu machen, welche vergangenen Krisen man bereits erfolgreich überstanden hat. „Kein Mensch wird 30, 40 oder 50 Jahre alt, ohne Rückschläge, Enttäuschungen und Krisen zu erleben“, sagt er. Notiere dir: Welche Krisen hast du beruflich oder privat schon erlebt? Was hast du damals getan? Was hast du daraus gelernt? So wird dir klar, welche Ressourcen dir durch Krisen helfen werden.
Extra: Bedürfnis nach Konsistenz
So geht’s: Streb nach einer stimmigen Lebensführung.
Den 4 Grundbedürfnissen übergeordnet ist nach Klaus Grawe das Bedürfnis nach Konsistenz und Stimmigkeit. Daher stammt auch der Name Konsistenztheorie. Konsistenz bedeutet, dass unsere Überzeugungen, Ziele und Handlungen miteinander im Einklang stehen. Handeln wir immer wieder gegen unsere Werte, entstehen innere Konflikte, die wir auf Dauer nicht aushalten können. Alles in allem existieren eigentlich 5 psychische Grundbedürfnisse nach Grawe.
Im Alltag von Unternehmerinnen und Unternehmern, in dem häufig schnelle Entscheidungen und Anpassungen erforderlich sind, kann es schwierig sein, immer konsistent zu handeln. Nimm dir daher regelmäßig Zeit, um deine Ziele und Werte zu reflektieren und sicherzustellen, dass deine täglichen Entscheidungen und Handlungen diese widerspiegeln.
Überleg dir: Wo stehen meine Werte und mein Handeln in einem Konflikt? Dazu musst du erst einmal deine Werte herausfinden. Lass diese anschließend als Kompass für all deine geschäftlichen und persönlichen Entscheidungen dienen. Wenn deine Handlungen mit deinen Werten übereinstimmen, erhöht dies das Gefühl der Konsistenz.
Hol dir auch regelmäßiges Feedback von vertrauenswürdigen Kollegen, Mentorinnen oder Coaches ein. Das kann helfen, blinde Flecken in deinem Handeln aufzudecken und somit zur Erfüllung deiner psychischen Grundbedürfnisse beitragen.
Denis Mourlane ist Psychologe und Psychotherapeut in Frankfurt. Er hat die Bücher „Emotional Leading: Unsere fünf Grundbedürfnisse oder wie wir die Kraft positiver Emotionen entfesseln“ und „Resilienz: Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen“ geschrieben.
Klaus Sejkora ist Psychologe und Psychotherapeut in Linz. Er hat die Bücher „Das Ich in der Krise: Resilient durch Positive Transaktionsanalyse“ und „Positive Führung. Resilienz statt Burnout!“ geschrieben.
