Inhalt: Darum geht's in diesem Beitrag
Montagmorgen, der Führungskreis eines mittelständischen Unternehmens tagt. Es geht darum, wie man auf die aktuelle Wirtschaftsflaute reagiert. Ein Vorschlag: den Verkäufern niedrigere Abschlussprämien zahlen.
Da ergreift Vertriebsleiter Huber das Wort: „Du kannst unseren Vertriebsleuten jetzt, wo sie ohnehin wenige Abschlüsse machen, nicht auch noch die Prämien kürzen! Das…“
Der Firmeninhaber unterbricht: „Krieg dich wieder ein. Alle müssen den Gürtel enger schnallen – auch deine Mitarbeiter.“
Gefühle gelten als unangemessen oder Schwäche
Ähnliche Situationen passieren in Unternehmen oft: Zeigen Mitarbeiter Gefühle und engagieren sie sich emotional für ein Thema, erachten Gesprächspartner das als unangemessen oder als Schwäche.
Nicht nur das: Die Mitarbeiter werden oft mundtot gemacht – mit Aussagen wie: „Lass uns mal sachlich bleiben“ oder: „Mal nicht gleich den Teufel an die Wand“. Führungskräfte befassen sich dann nicht ernsthaft mit dem Anliegen.
Zeigt ein Mitarbeiter regelmäßig Emotionen, wird er in eine Schublade gesteckt: „Der Mayer macht aus jeder Mücke einen Elefanten.“ Oder: „Die Müller reagiert schnell hysterisch.“
Die Folge: Endlose Diskussionen
Mitarbeiter wissen das, sie versuchen daher, am Arbeitsplatz keine Gefühle zu zeigen. Ihre Empfindungen verbergen sie oft hinter scheinbar rationalen Argumenten, dann wird endlos über Nichtigkeiten diskutiert.
Erreichen Mitarbeiter ihre Ziele so nicht, versuchen sie es über Umwege. Zum Beispiel erledigen sie Aufgaben bewusst nicht oder sie interpretieren Beschlüsse fehl – ein häufiger Grund, warum Unternehmen ihre Ziele verpassen und Projekte scheitern.
Gefühle erkennen, bewerten und angemessen reagieren
Führungskräfte müssen daher in der Lage sein, Gefühle zu erkennen, richtig zu bewerten und angemessen zu reagieren. Sie brauchen ein feines Gespür, um Fehleinschätzungen und -entscheidungen zu vermeiden.
Ein Beispiel: Vor drei Jahren startete ein Dienstleistungsunternehmen ein Changeprojekt, um künftig noch kundenorientierter zu agieren. Aus Sicht der Unternehmensführung lief alles gut, bis der Vorstand entschied: Künftig müssen alle Mitarbeiter mit persönlichem Kundenkontakt Firmenkleidung tragen.
Dann brach eine mehr oder minder offene Revolte im Unternehmen aus. Aus zwei Gründen: Zum einen machte die Bekleidungsvorschrift vielen Mitarbeitern erstmals klar: „Unsere Chefs meinen es ernst mit der Veränderung“. Zum anderen erlebten sie die Vorschrift als Eingriff in ihre Privatsphäre.
Das Projekt drohte zu scheitern – vor allem, weil der Vorstand die emotionale Bedeutung nicht erkannte. Hinter der Kleiderfrage verbargen sich grundsätzliche Bedenken gegen die Veränderungen, auch das verstand der Vorstand nicht.
5 Regeln für den Umgang mit Emotionen
Regel 1: Gefühle anerkennen
Zeigt sich ein Mitarbeiter emotional betroffen, sollte die Führungskraft das anerkennen und würdigen, beispielsweise mit den Worten: „Ich sehe, dass dich das Thema interessiert.“ Oder: „Es freut mich, dass du dich so stark dafür engagierst.“
Regel 2: Auf Killerphrasen verzichten
Keinesfalls solltest du auf emotionale Äußerungen mit Killerphrasen reagieren. Etwa: „Reg dich nicht so auf“ oder: „Lass mal die Kirche im Dorf“.
Solche Aussagen zerstören letztlich das, was sich Führungskräfte von ihren Mitarbeitern wünschen: Identifikation mit ihrer Aufgabe und dem Unternehmen und die Bereitschaft, sich zu engagieren.
Regel 3: Gründe für Gefühle ermitteln
Zeigt ein Mitarbeiter Gefühle, kann dies verschiedene Gründe haben: Vielleicht identifiziert er sich stark mit seiner Aufgabe und kämpft deshalb für eine bestimmte Lösung; vielleicht identifiziert er sich aber auch zu wenig mit seinem Job und denkt: „Verdammt, den Mist muss ich auch noch machen“.
In jedem Fall solltest du dem Mitarbeiter signalisieren, dass du seine Gefühle wahrgenommen hast. Zum Beispiel mit den Worten: „Ich merke, dass meine Aussage bei dir auf wenig Begeisterung stößt. Trifft das zu?“
Falls ja, kannst du fragen: „Würdest du mir bitte erläutern, was aus deiner Warte dagegenspricht, dass …“ So machst du dir ein Bild davon, warum der Mitarbeiter so reagiert, und vermeidest vorschnelle Schlüsse.
Regel 4: Angemessen reagieren
Zeigt sich, dass sich der Mitarbeiter zu Recht überfordert fühlt, erarbeitet gemeinsam eine Lösung.
Wenn sich der Mitarbeiter nicht ausreichend mit seinem Job identifiziert, vermittle ihm: „Die Grundeinstellung zu deiner Arbeit stimmt nicht. Als Führungskraft erwarte ich, dass…“. Konsequenzen anzukündigen, sollte die Person die Erwartungen nicht erfüllen, ist in so einem Fall angemessen.
Regel 5: Dankbar sein für offen gezeigte Gefühle
Oft müssen Führungskräfte erst ermitteln, hinter welcher scheinbar rationalen Aussage sich in Wahrheit Gefühle verbergen. Sagt ein Mitarbeiter: „Das geht nicht“, kann das bedeuten: „Das funktioniert aus fachlichen Gründen nicht“, aber auch: „Ich möchte das aus persönlichen Gründen nicht“.
Daher solltest du dankbar sein, wenn Mitarbeiter Gefühle zeigen: Das erleichtert es, Lösungen zu finden.

Joachim Simon ist Berater für Geschäftsführer aus dem Mittelstand, Co-Founder der App Mindshine und Mitautor der weltweit größten wissenschaftlichen Studie zum Thema Self-Leadership für Führungskräfte.
