Produktion beschleunigen
Dieser Unternehmer bringt mehr Tempo in seine Produktion

Maßangefertigte Möbel fertigt Tim Ehlings Firma Pickawood in zwei bis vier Wochen - deutlich schneller als viele Konkurrenten. Um die Produktion zu beschleunigen, hat der Unternehmer an vier Stellschrauben gedreht.

2. Dezember 2020, 14:30 Uhr, von Catalina Schröder, Redakteurin

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Tim Ehling ist Geschäftsführer des Unternehmes Pickawood
Tim Ehling, Geschäftsführer von Pickawood
© Lars Krueger

Dass eine kleine Nische im Flur seiner Wohnung einmal den Anstoß für die Gründung eines Unternehmens geben könnte, hätte Tim Ehling nie erwartet. 2011 zog Ehling, heute 34, mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau in die erste gemeinsame Wohnung. Im Flur gab es eine Nische, in die partout kein Schrank oder Regal aus dem Möbelhaus passte. Eine Maßanfertigung sollte her. Kein Problem, dachte Ehling: Wir finden sicher schnell einen Tischler, der uns etwas Passendes baut.

Doch so einfach war es dann nicht: Mal war Ehling das geplante maßgefertigte Regal zu teuer, mal dauerte es Wochen, bis überhaupt ein Angebot vorlag, das sich dann wahlweise wieder als zu teuer oder anders als vorgestellt entpuppte.

Ehling, damals Inhaber und Geschäftsführer einer Agentur, die E-Commerce-Unternehmen beriet, war genervt – und gründete 2012 die Firma, die er gern beauftragt hätte, einfach selbst. Der Name des Start-ups: Pickawood. Seine Eigenschaften: eine Manufaktur, die in vergleichsweise kurzer Zeit Möbel nach Maß baut.

Heute, im Jahr 2020, arbeiten rund 45 Mitarbeiter für Pickawood. Das Hamburger Unternehmen kooperiert mit insgesamt 15 Tischlereien in Deutschland, Polen, Frankreich und Kroatien und verkauft seine Möbel in Deutschland, der Schweiz und Frankreich.

Rund 7 Millionen Euro hat Pickawood 2019 umgesetzt. Für 2020 rechnet Tim Ehling mit einem Umsatz von knapp 10 Millionen Euro. Die Corona-Pandemie hat der Firma ein ordentliches Auftragsplus beschert: „Als der Lockdown begann, gab es auch bei uns zunächst einen kleinen Einbruch“, erzählt Tim Ehling. „Aber das hat sich zum Glück schnell gelegt, und wir hatten im zweiten Quartal 2020 sogar 50 Prozent mehr Bestellungen als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.“

Der Grund liegt nahe: Als ganz Deutschland plötzlich zu Hause saß und die eigenen vier Wände häufig nicht einmal mehr verließ, um zur Arbeit zu gehen, begannen viele Menschen, sich mehr mit der Einrichtung der eigenen Wohnung zu beschäftigen. Sie bestellten Schreibtische für den Heimarbeitsplatz, aber auch Esstische, Schränke, Regale oder Kommoden. „Bei uns hat gerade eigentlich alles Konjunktur“, sagt Tim Ehling.

Sechs bis neun Wochen braucht Pickawood in der Regel vom Auftrag bis zur Anlieferung eines individuellen Möbelstückes beim Kunden. In einer klassischen Schreinerei dauert dieser Prozess mitunter sehr viel länger.

Die Geschichte von Pickawood zeigt, wie Unternehmer mittels Digitalisierung einen Geschwindigkeitssprung in einem Prozess schaffen, der seit Jahrzehnten nach dem immer selben Muster abläuft. Obwohl Pickawood Möbel verkauft, ist das Unternehmen im Kern eine Softwarefirma. Die Mitarbeiter digitalisieren und optimieren die Prozesse so, dass Möbelherstellung und -verkauf möglichst schnell vonstattengehen können. Die eigentliche Herstellung aber übernehmen andere.

Das Geheimnis hinter der Schnelligkeit von Pickawood: Den größten Zeitvorsprung, davon ist Tim Ehling überzeugt, holt seine Firma dadurch raus, dass Kunden sehr viel schneller als bei einem klassischen Schreiner einen Entwurf des Möbelstücks haben, das exakt ihren Erwartungen entspricht. Außerdem bringt der Unternehmer an folgenden Punkten Geschwindigkeit in den Arbeitsablauf:

1. Baukastenprinzip aufbauen

Pickawood hat zwar einen Showroom in der Hamburger Innenstadt, doch der spielt nur eine Nebenrolle. In erster Linie verkaufen Ehling und sein Team Möbel im Netz. Über einen Konfigurator, den das Unternehmen von einem Dienstleister entwickeln ließ, können Kunden sich ihre Möbelstücke selbst zusammenstellen: Maßgefertigte Betten oder Schränke, Kommoden, Sideboards, Tische oder Regale. Der Vorteil: Statt einen Termin mit einem Tischler zu vereinbaren, der einige Tage später nach Hause kommt, alles ausmisst und dann ein paar Tage oder Wochen später ein Angebot schickt, das dem Kunden im Zweifel nicht gefällt, messen Pickawood-Kunden den Platz, den sie für ihr Möbelstück zur Verfügung haben, selbst aus.

Wenn sie ihr Wunschmöbel dann im Netz zusammenstellen, sehen sie sofort, wie sich der Preis in Abhängigkeit von Größe und Material verändert. Wird es ihnen zu teuer, können sie darauf reagieren, indem sie beispielsweise die Materialart verändern. Gefällt ihnen die Konstruktion optisch plötzlich doch nicht mehr, können sie direkt Änderungen vornehmen. Was sich in der Zusammenarbeit mit einem normalen Tischler erst nach einigen Tagen oder sogar Wochen herausstellt, ist für Pickawood-Kunden schon nach wenigen Minuten erkennbar. Der Prozess bis zur Bestellung des Möbelstücks geht also deutlich schneller vonstatten.

2. Anleitung automatisieren

Früher schickte Pickawood die Skizze des jeweiligen Wunschmöbelstücks an eine seiner Tischlereien. Etwa eine Woche dauerte es, bis die Tischlerei diese in eine Bauanleitung übertragen hatte. Darin waren beispielsweise alle Bohrlöcher für Türgriffe oder Beschläge eingezeichnet. Sobald die Bauanleitung vorlag, konnte das Möbelstück gefertigt werden.

Inzwischen haben Tim Ehling und seine Kollegen diesen Prozess optimiert. Maßgeblich dafür gesorgt hat das 15-köpfige IT-Team von Pickawood. Sie haben ein Programm entwickelt, das die Skizze des Kunden direkt in ein 3D-Modell und eine Bauanleitung umwandelt, in der alle Bohrlöcher bereits eingezeichnet sind. Sobald der Tischler diese Anleitung in der Hand hält, kann er damit beginnen, das Möbelstück zu bauen. Gut eine Woche spart das Unternehmen Tim Ehling zufolge dadurch in der Fertigung ein und liefert seine Möbel entsprechend schneller an die Kunden aus.

3. Herstellung optimieren

Was intern bereits geschehen ist, weitet Pickawood nun auf seine Lieferanten aus: Momentan unterstützt das Unternehmen seine Partner-Tischlereien dabei, ihre Prozesse während der Herstellung zu optimieren und dadurch mittels Digitalisierung noch einmal schneller zu werden. „Drei unserer Mitarbeiter sind gerade bei einer Tischlerei in Polen“, erzählt Tim Ehling.

Die einzelnen Arbeitsschritte beim Bau eines Möbelstückes werden dort teilweise maschinell und teilweise per Hand gefertigt. Jedes Teil erhält künftig ein Etikett mit einem Barcode. Dadurch erkennen Maschine und Mitarbeiter, welcher Arbeitsschritt als Nächstes ansteht. Auch das soll den Herstellungsprozess noch einmal beschleunigen.

4. Lieferprozess verkürzen

Im April, kurz nach Beginn des Corona-Lockdowns, hat Pickawood einen neuen Service live geschaltet: die Express-Lieferung mit einer Lieferzeit von zwei bis vier statt sechs bis neun Wochen. Vorerst ist der Service für das Unternehmen ein Test – der laut Ehling aber schon gut angenommen wird. Der Unternehmer glaubt, dass Kunden immer kürzere Lieferzeiten erwarten: „Wir wollen aber wissen, inwiefern die deutlich kürzere Lieferzeit für unsere Kunden tatsächlich ein Kaufargument ist“, erzählt der Unternehmer. Eine Kundenbefragung steht jedoch noch aus.

Momentan können nur Möbel aus Spanholz per Express-Lieferung zugestellt werden. Sollte sich herausstellen, dass die kurze Lieferzeit für viele Kunden das entscheidende Kaufargument ist, will Pickawood den Service aber auf weitere Materialarten ausdehnen. Ehlings Ziel: „Wir wollen Lieferzeiten von zwei bis vier Wochen  für alle Maßanfertigungen erreichen.“

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