Vaterschaftsurlaub – ab wann?
Was Sie zur Familienstartzeit wissen sollten: der aktuelle Stand

Das Familienstartzeit-Gesetz könnte noch 2024 neue Rechte für Mitarbeitende bringen. Was das Gesetz genau regelt, ab wann der Vaterschaftsurlaub kommt und wer ihn finanziert. Ein Überblick.

8. Juni 2024, 16:05 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

Mehr Zeit für Kindereien? Ab wann der Vaterschaftsurlaub kommt, ist noch nicht ganz klar.
Das Familienstartzeit-Gesetz ist laut EU lange überfällig. Doch vieles ist noch unklar, etwa, ob die auch "Vaterschaftsurlaub" genannte Regelung 2024 noch kommt und ab wann genau der Anspruch greift.
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Mehr Rechte für das zweite Elternteil nach der Geburt des Kindes: Dieses Ziel hat das geplante neue Gesetz zur Familienstartzeit, auch „Vaterschaftsurlaub“ genannt. Das Projekt stand bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung – und sollte 2024 noch kommen.

Die Mehrheit der Unternehmen bewertet das Vorhaben positiv: Laut einer 2023 durchgeführten repräsentativen Umfrage des Allensbach-Instituts halten 43 Prozent der Verantwortlichen in Unternehmen die Familienstartzeit für eine gute Sache, 31 Prozent der Befragten für keine gute Sache.

Die konkreten Antworten auf Fragen wie die, ab wann der Vaterschaftsurlaub kommt, sind zwar noch offen. Der inhaltliche Rahmen zum Familienstartzeit-Gesetz ist jedoch von der EU vorgegeben.

Was Arbeitgeber und Arbeitgeber zum aktuellen Stand wissen sollten.

Familienstartzeit: Was ist der neue Vaterschaftsurlaub?

Bundesfamilienministerin Lisa Paus erklärte dazu anlässlich der Veröffentlichung des Väterreports 2023 in einer Pressemitteilung, Väter sollten sich künftig für die ersten zehn Arbeitstage nach der Geburt ihres Kindes bei vollem Lohnausgleich freistellen lassen können. Wie der Vaterschaftsurlaub ausgestaltet sein wird, skizziert aktuell ein Referentenentwurf zum Familienstartzeit-Gesetz.

Laut Sonja Riedemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Osborne Clarke, sieht der Referentenentwurf bislang folgende Regelungen vor:

  • Anspruch auf zwei Wochen Sonderurlaub bei voller Lohnfortzahlung nach der Geburt eines Kindes haben:
    • der andere Elternteil oder
    • der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin im gleichen Haushalt oder
    • eine von der Mutter benannte Person, wenn der zweite Elternteil nicht mit im Haushalt lebt. „Diese ‚andere benannte Person‘ ist nicht näher definiert“, erklärt Anwältin Riedemann. „Es sollte nach Sinn und Zweck der Familienstartzeit aber ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin sein, beziehungsweise eine Beamtin oder ein Beamter – nur dann ergibt der Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch einen Sinn.“
  • Die Zeit der Partnerfreistellung wird, wie der Mutterschutz, auf die Elternzeit angerechnet.
  • Der Arbeitgeber zahlt dem zweiten Elternteil „Partnerschaftslohn“:
    • Die Höhe des Partnerschaftslohns berechnet sich – wie beim Krankengeld – aus dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der letzten drei Monate.
    • Der Partnerschaftslohn wird auf das Elterngeld angerechnet, wenn ein Anspruch auf Elterngeld besteht.
  • Es gibt für den Vaterschaftsurlaub keine Ankündigungsfrist. „Die bezahlte Freistellung kann laut Referentenentwurf ‚tageweise‘ und ‚in den ersten zehn Arbeitstagen‘ verlangt werden“, erklärt Riedemann. Damit sei es möglich, die Freistellung spontan in Anspruch zu nehmen, was etwa bei Frühgeburten wichtig werden kann.

Wie ist die bisherige Regelung für das zweite Elternteil zu freien Tagen nach der Geburt?

Aktuell hat laut Riedemann nur die gebärende Mutter nach der Geburt Anspruch auf eine bezahlte Freistellung von der Arbeit. Wollen der Partner oder die Partnerin der Mutter nach der Geburt bei der Familie sein, müssen sie Urlaub oder unbezahlten Urlaub nehmen.

Oder aber sie nehmen Elternzeit. Das Wichtigste zu den Elternzeit-Regelungen:

  • Die Elternzeit stellt grundsätzlich eine unbezahlte Freistellung dar.
  • Als Ausgleich besteht ein Anspruch auf das staatlich finanzierte Elterngeld. (Es gibt auch Elterngeld für Selbständige.)
  • Die Höhe des Elterngelds richtet sich nach der Höhe des Einkommens. Für sehr gut verdienende Paare (ab 200.000 Euro, ab April 2025 ab 175.000 Euro) wurde es gestrichen. Das Elterngeld kann es für maximal 14 Monate geben. Es
    • entspricht 65 Prozent des vorherigen Netto-Einkommens und
    • ist auf 1.800 Euro monatlich gedeckelt.

Ab wann soll der Vaterschaftsurlaub 2024 kommen: der aktuelle Stand

„Dem Referentenentwurf zufolge war die Einführung der bezahlten Freistellung eigentlich für ‚Anfang 2024’ geplant“, sagt Arbeitsrechtlerin Riedemann. Wann die zwei Wochen Sonderurlaub tatsächlich kommen, ist noch unklar.

Zum aktuellen Stand erklärte ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums, der Referentenentwurf zum Familienstartzeit-Gesetz werde aktuell zwischen den Ressorts beraten. Dies betreffe auch den zeitlichen Ablauf des Gesetzgebungsvorhabens. Also Aspekte wie:

  • wann der Gesetzentwurf in den Bundestag kommt,
  • wann die Familienstartzeit beschlossen werden könnte
  • wann der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub in Kraft tritt
  • und inwieweit es sogar noch möglich wäre, den Vaterschaftsurlaub 2024 zu beantragen.

EU-Richtlinie zum Vaterschaftsurlaub als Basis

Mit dem Gesetz zur Familienstartzeit will die Regierung eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 umsetzen. Deren Ziel: die Betreuungsaufgaben von Eltern gerechter zu verteilen und damit die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt voranzubringen. „Deutschland war lange der Ansicht, den Vorgaben der EU-Richtlinie zum ‚Vaterschaftsurlaub‘ mit den bestehenden Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld zu genügen“, erklärt Anwältin Riedemann. Im Hinblick auf die zehntägige bezahlte Freistellung nach der Geburt sei dies jedoch nicht der Fall.

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Daher leitete die EU-Kommission nach Ablauf der zweijährigen Umsetzungsfrist im September 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Inzwischen hat außerdem ein Vater beim Landgericht Berlin Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht. In einer Pressemitteilung erklärt ein Mitglied des Anwaltsteams dazu: „Vaterschaftsurlaub ist kein wohltätiger Akt, sondern ein Rechtsanspruch. Wenn die Regierung sich nicht einig wird, wer diese 10 Tage zu bezahlen hat, geht dies zu vollen Lasten des Bundeshaushalts. Denn der Bund macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er die seit 2022 umzusetzende EU-Richtlinie nicht umsetzt.“

Darüber hinaus gibt es eine Petition, die auf die Einführung von Vaterschaftsurlaub drängt, sowie einen offenen Brief an die Bundesregierung, in dem Dutzende Organisationen aus Gesellschaft und Wirtschaft die bezahlte Freistellung nach Geburt eines Kindes für den zweiten Elternteil fordern.

Wer bezahlt die 2 Wochen Vaterschaftsurlaub?

„Egal, ab wann der Vaterschaftsurlaub gilt: Den Partnerschaftslohn auszahlen müssen zunächst die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen“, sagt Arbeitsrechtlerin Riedemann. Es ist also nur eine bürokratische Last, denn die Kosten bekommen sie anschließend in voller Höhe erstattet: Wie beim Mutterschutz soll die Freistellung – entsprechend den Mutterschutz-Regelungen – über das U2-Umlageverfahren gedeckt sein.

An diesem Verfahren beteiligen sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Umlagebeiträgen. Würde die Partnerfreistellung eingeführt, ergäben sich dadurch laut einer Modellberechnung für einen Betrieb mit zehn Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei einem Brutto-Durchschnittslohn von 3700 Euro Mehrkosten von insgesamt 10,40 Euro monatlich für das gesamte Unternehmen, wie es aus Koalitionskreisen heißt.

Muss für den Vaterschaftsurlaub ein Antrag gestellt werden?

Laut der EU-Richtlinie soll der Anspruch auf die zehn Tage bezahlte Freistellung direkt nach der Geburt des Kindes greifen. Auch sollen die Betriebszugehörigkeit und die Beschäftigungsdauer keinen Einfluss auf den Anspruch haben.

Es ist aber nach dem deutschen Gesetzentwurf kein automatischer Zwangsurlaub, es besteht – anders als bei den gebärenden Müttern – kein Beschäftigungsverbot. Das heißt: Auch wenn der Anspruch ohne Wartezeit auch schon in der Probezeit oder Ähnlichem besteht, muss der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin ihn geltend machen. Und den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin sowohl von der Geburt des Kindes als auch dem Wunsch nach Freistellung informieren. „Das ist aber kein Antrag, ihm muss also nicht stattgegeben werden. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können ihn, genau wie bei der Elternzeit, auch nicht ablehnen“, so Riedemann.

Die Expertin
Sonja RiedemannSonja Riedemann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Senior Counsel bei der Kanzlei Osborne Clarke in Köln. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

Quelle:

Familienstartzeit: Einstellungen in den deutschen Unternehmen“, Abrufdatum: 5. Juni 2024