Kündigen ohne Grund
„Du bist gefeuert!“ Wann Sie grundlos entlassen dürfen

Kündigen ohne Grund ist meist unzulässig. Nur in Ausnahmefällen erlaubt das Arbeitsrecht die vermeintliche Willkür. Nennen müssen Arbeitgeber ihre Gründe jedoch meist nicht. Diese Regeln gelten.

21. Mai 2024, 13:22 Uhr, von Jonas Hetzer, Senior Redakteur

Kündigen ohne Grund
"Pack Deine Sachen und geh!" Kündigen ohne Grund ist mitunter möglich
© Anchalee Phanmaha / Moment RF / Getty Images

Du bist gefeuert! So einfach wie in der amerikanischen TV-Show „The Apprentice“ können Arbeitgeber hierzulande unliebsame Mitarbeiter nicht vor die Tür setzen. Das deutsche Arbeitsrecht setzt dem gewisse Grenzen.

Zentral ist die Frage nach dem Warum der Entlassung. Hier wird es dann kompliziert. Zunächst einmal ist es wichtig zu unterscheiden zwischen einer Kündigung ohne Grund – und einer Kündigung ohne Angabe von Gründen.

Während das erste nur in Ausnahmefällen möglich ist, ist letzteres – Kündigen ohne Begründung – durchaus verbreitet. In welchen Fällen also ist eine Kündigung ohne Grund erlaubt? Und wenn das Gesetz einen Grund fordert: Wann muss der Chef oder die Chefin die Entlassung begründen, und wann nicht?

Wann ist Kündigen ohne Grund möglich?

Grundsätzlich gilt: Eine Kündigung ohne Grund ist nur zulässig, wenn

  • es sich um einen Kleinbetrieb mit maximal 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handelt;
  • die Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate der Anstellung erfolgt.

Warum? In diesen Fällen gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht. Worauf dabei im Detail zu achten ist, lesen Sie unten in den Abschnitten zur Kündigung ohne Grund.

Ist eine Kündigung ohne Angabe von Gründen möglich?

Was für rechtliche Laien erst einmal verwirrend klingt: Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz greift, ermöglicht das komplexe deutsche Arbeitsrecht Unternehmerinnen und Unternehmern durchaus, ein Teammitglied ohne Begründung, also ohne Angabe eines Grundes zu entlassen.

Das kann aus Sicht des Arbeitgebers sinnvoll sein, um für den Fall vorzusorgen, dass das entlassene Teammitglied vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung klagt. Mehr dazu lesen Sie im Abschnitt zur Begründung einer Kündigung.

Es muss also zwar meist einen Grund geben, die Begründung darf aber ausbleiben? Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, lohnt es, zunächst einen Blick auf die verschiedenen Arten der Kündigung und deren gesetzlichen Rahmen zu werfen, sowie zu klären: Wann ist eine Kündigung überhaupt zu begründen und wie?

Welche Arten der Kündigung gibt es?

Zu unterscheiden sind die ordentliche und die außerordentliche Kündigung. Für beide Varianten gibt es spezielle rechtliche Vorgaben:

1. Ordentliche Kündigung

Die ordentliche Kündigung ist der Normalfall für Entlassungen, für den umfangreiche Regelungen gelten. Die entscheidenden Bestimmungen betreffen die Frist und den Grund.

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Eine ordentliche Kündigung gilt nie per sofort. Es ist also eine Frist einzuhalten, weshalb sie auch fristgerechte Kündigung heißt. Wie lange diese Frist ist, können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mit den Beschäftigten im Arbeitsvertrag individuell vereinbaren.

Allerdings gibt es eine gesetzliche Mindestfrist, die vier Wochen beträgt. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit kann die Frist aber auch deutlich länger sein.

Wichtig: Die Regelungen gelten nur, wenn ein ein unbefristeter Arbeitsvertrag vorliegt. Bei befristeten Arbeitsverträgen hingegen nicht, da das Ende der Anstellung bereits durch die Befristung festgelegt ist.

„Das lässt sich aber aushebeln, indem in dem Arbeitsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung enthalten ist“, sagt die Arbeitsrechtlerin Anja Dombrowsky, Partnerin der Sozietät Oppenhoff in Frankfurt am Main.

Kündigungsgrund

Gilt das Kündigungsschutzgesetz, – hat der Betrieb also mehr als zehn Mitarbeiter oder sind die ersten sechs Monate der Anstellung bereits verstrichen – muss es zudem einen Grund für die Kündigung geben, der rechtlich anerkannt ist.

Zulässig sind nach dem Gesetz drei Arten:

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  1. die personenbedingte Kündigung,
  2. die verhaltensbedingte Kündigung, oder
  3. die betriebsbedingte Kündigung.

Arbeitsrechtlerin Dombrowsky weiß jedoch aus ihrer Praxis, dass es häufig zu Kündigungen kommt, ohne dass ein Grund vorliegt, den ein Arbeitsgericht akzeptieren würde. In rund 80 Prozent der Fälle würden sich die Parteien dann auf einen Vergleich, der eine Abfindung vorsieht, einigen.

Die Höhe einer Abfindung vereinbaren Arbeitgeber und Entlassener untereinander, ohne Gerichtsverfahren. Eine mitunter teure Option, da es um einige Monatsgehälter gehen kann.

Alternativ können Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich von einem Teammitglied trennen möchten, ohne dass ein gerichtsfester Grund vorliegt, einen Aufhebungsvertrag anbieten. Doch auch das kann teuer werden.

2. Außerordentliche Kündigung

Die außerordentliche Kündigung gilt meist sofort und heißt deshalb auch fristlose Kündigung. Das Gesetz erlaubt sie nur unter strengen Voraussetzungen.

So erlaubt § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eine fristlose Kündigung nur bei „wichtigen Gründen“. Das bedeutet, dass für die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber „die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (…) nicht zugemutet werden kann“.

Bei betriebsbedingten oder personenbedingten Kündigungen sehen Gerichte diese Unzumutbarkeit in der Regel nicht als gegeben. Sehr wohl aber bei verhaltensbedingten Kündigungen.

Gründe dafür können etwa Beleidigungen gegenüber Kollegen und Kolleginnen sein, das Verbreiten von Lügen über Teammitglieder, sexuelle Belästigung, Verraten von Betriebsgeheimnissen an Konkurrenten oder auch ausländerfeindliche Äußerungen.

Einen gesetzlichen Katalog von Verfehlungen, die als Begründung für eine außerordentliche Kündigung anerkannt sind, gibt es nicht. Letztlich entscheiden Arbeitsgerichte im individuellen Fall darüber.

Wichtig: Grundsätzlich müssen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen einem Teammitglied bei verhaltensbedingten Gründen die Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern, rät Arbeitsrechtlerin Dombrowsky. Dafür müssen Chefinnen und Chefs zunächst eine Abmahnung erteilen.

Allerdings kann die fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung zulässig sein. Und zwar genau dann, wenn der Vorfall so schwerwiegend war, dass die weitere Zusammenarbeit selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist „nicht zugemutet werden kann“, wie im Gesetz heißt.

Fest steht aber: Eine fristlose Kündigung ohne Grund ist niemals zulässig.

Ordentliche Kündigung ohne Grund im Kleinbetrieb

Zwar gilt in Betrieben mit maximal 10 Vollzeit-Angestellten das Kündigungsschutzgesetz nicht (§ 23 KSchG). Aber auch für die Kündigung in Kleinbetrieben gelten gesetzliche Regelungen, an die sich Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen halten müssen.

Wichtig ist zunächst zu klären, ob eine Firma überhaupt als Kleinbetrieb gilt. So werden zum Beispiel Auszubildende gar nicht und Teilzeitkräfte nicht voll gezählt. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Elternzeit hingegen sind vollständig in die Zählung einzubeziehen.

Welcher Kündigungsschutz gilt im Kleinbetrieb?

Ist das Unternehmen tatsächlich ein Kleinbetrieb, „sind die Hürden für eine Kündigung deutlich niedriger“, sagt Expertin Dombrowsky. Die bloße Unzufriedenheit mit der Arbeitsleistung reiche aus. „Sogar wenn Ihnen die Kleidung nicht passt“, sei eine Kündigung zulässig, sagt Dombrowsky.

Was immer gilt, sind die Fristenregelungen für ordentliche Kündigungen. Eine fristgerechte Kündigung im Kleinbetrieb ohne Grund aber ist möglich – wenn auch nur in bestimmten Grenzen.

„Arbeitgeber von Kleinbetrieben haben deutlich mehr Freiheit beim Ausspruch einer Kündigung“, sagt Anwältin Dombrowsky. Doch völlig willkürlich dürfen sie auch hier nicht vorgehen. Den Rahmen setzen Regelungen im BGB und dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Folgendes müssen Inhaber und Inhaberinnen von Kleinbetrieben beachten:

  • Eine Kündigung wegen des Geschlechts, der Hautfarbe, Religion oder Abstammung ist nicht erlaubt.
  • Ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme ist einzuhalten. Ein Beispiel: Geht es der Firma schlecht und müssen Stellen gestrichen werden, dürfen Chefs und Cheffinnen nicht einen Mitarbeiter mit Kindern entlassen, der bereits seit Jahren dort arbeitet und eine junge kinderlose Kollegin im selben Job behalten. Die sehr viel strengeren Regeln der Sozialauswahl, wie sie das Kündigungsschutzgesetz vorschreibt, sind jedoch im Kleinbetrieb nicht einzuhalten.
  • Sittenwidrige Kündigungen sind untersagt. Das ist etwa der Fall, wenn der Chef eine Mitarbeiterin entlässt, nur um sich an ihr zu rächen.
  • Wie in größeren Unternehmen gilt für bestimmte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Sonderkündigungsschutz: etwa für Schwangere, Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit, Angestellte, die gerade einen Angehörigen pflegen und für Schwerbehinderte. Diese Teammitglieder sind zwar nicht unkündbar – wollen Chefs sie entlassen, müssen sie aber einige Hürden überwinden. Es sei die Zustimmung einer Behörde notwendig, sagt Dombrowsky. Bei Schwerbehinderten, zum Beispiel, muss das Integrationsamt zustimmen.

Kündigung ohne Grund in der Probezeit

Die Probezeit kann laut Gesetz bis zu sechs Monate lang sein (§ 622, Abs. 3, BGB). Arbeitgeber und Angestellte dürfen aber vertraglich eine kürzere Dauer vereinbaren. Auf den Kündigungsschutz hat die Zeitspanne der Probezeit jedoch keinen Einfluss.

Vielmehr gilt, dass in den ersten sechs Monaten einer Anstellung, der sogenannten Wartezeit, das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt. Unabhängig davon, ob die Probezeit sechs Monate beträgt und welche Größe der Betrieb hat.

In dieser Zeit gelten dieselben Regelungen für das Entlassen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie in Kleinbetrieben.

Ist eine fristlose Kündigung ohne Grund erlaubt?

Eine außerordentliche, meist fristlose Kündigung ist niemals ohne Grund möglich – auch nicht im Kleinbetrieb oder in der sechsmonatigen Wartezeit. Sie ist immer nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig.

Dürfen Chefs Auszubildenden ohne Grund kündigen?

Spezielle Regeln gelten auch für Auszubildende. Während der Probezeit – die mindestens einen Monat lang sein muss und maximal vier Monate dauern darf – können Firmen ihre Azubis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Nennung eines Grundes entlassen.

Danach allerdings wird es schwierig. Nach der Probezeit ist eine Kündigung während der Ausbildung nur noch aufgrund eines wichtigen Grundes möglich, also wie bei einer außerordentlichen Kündigung.

Und die Begründung muss im Kündigungsschreiben enthalten sein. Das Kündigen ohne Grund ist somit unzulässig – so ist es in § 22 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) festgelegt.

Wann muss eine Kündigung begründet werden?

Der Umgang mit Auszubildenden ist jedoch eine Ausnahme. Denn: „Theoretisch“, sagt Arbeitsrechtlerin Dombrowsky, „müssen Arbeitgeber eine Kündigung gegenüber dem Betroffenen nie begründen.“

Es könnten aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, die es doch erforderlich machen, dass Unternehmerinnen und Unternehmer den Grund für eine Entlassung näher erläutern.

Zu unterscheiden sind auch hier die ordentliche und die außerordentliche Kündigung:

1. Begründung einer ordentlichen Kündigung

Egal ob das Kündigungsschutzgesetz gilt oder nicht: Es gibt in der Regel keine Pflicht, den Grund für die Entlassung im Kündigungsschreiben zu erwähnen. Arbeitsrechtlerin Dombrowsky rät davon sogar ausdrücklich ab.

Sollte der oder die Gekündigte gerichtlich gegen die Entlassung vorgehen, müsste der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess exakt die Begründung aus dem Kündigungsschreiben vor Gericht belegen. Und das erweist sich mitunter dann doch als schwierig.

„Da sollte man sich nicht unnötig auf ein Minenfeld begeben“, sagt Expertin Dombrowsky. Besser sei es, das Schreiben so knapp und allgemein wie möglich zu halten, um im Streitfall die besten Argumente wählen zu können.

Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, da personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigungen sehr genau Begründungen erfordern. Doch auch falls das KSchG nicht gilt, sollten Chefs und Chefinnen keine offenen rechtlichen Flanken schaffen, rät Dombrowsky.

Beweislast vor Gericht

Kommt es allerdings zum Prozess, ist es für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen deutlich leichter, wenn die Firma ein Kleinbetrieb ist oder das gekündigte Teammitglied noch keine sechs Monate angestellt war. Zum einen ist es zumeist wesentlich einfacher, darzulegen, dass die Arbeitsleistung des Entlassenen nicht zufriedenstellend war.

Zum anderen, und das ist wichtig: Greift das Kündigungsschutzgesetz nicht, muss der oder die Gekündigte vor Gericht beweisen, dass die Entlassung nicht rechtens war. In allen anderen Fällen gilt: Das Unternehmen muss belegen können, dass eine personen-, verhaltens-, oder betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt war.

2. Begründung einer außerordentlichen Kündigung

Anders bei der außerordentlichen Kündigung, die in der Regel fristlos erfolgt. In § 626 des BGB heißt es, dass der Unternehmer oder die Unternehmerin dem entlassenen Teammitglied „auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen“ muss.

Das gilt immer, also unabhängig davon, wie groß der Betrieb ist, wie lange jemand bereits in der Firma arbeitet oder ob sonstige Sonderregelungen (zum Beispiel Mutterschutz) gelten. Auch die Beweislast bei Gericht liegt bei außerordentlichen Kündigungen immer beim Unternehmen.

3. Begründung vor dem Betriebsrat

Gibt es einen Betriebsrat in der Firma, müssen Chefs und Chefinnen das Gremium vor jeder Kündigung über die Gründe informieren und den Rat anhören. So steht es in § 102 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).

Und weiter steht dort: „Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam“.  Das bedeute jedoch nicht, stellt Arbeitsrechtlerin Dombrowsky klar, dass der Betriebsrat eine Kündigung verhindern könne.

Die Räte können lediglich ihre eigene Einschätzung zum Fall erläutern und Gekündigte unterstützen. So kann der Betriebsrat zwar einer Kündigung widersprechen. Doch auch dann kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen.

Für die Anhörung gelten klare Fristen. Im Fall einer ordentlichen Kündigung sind es zwei Wochen. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist es nur eine Woche.

Da es sich hier um keine Regelung aus dem Kündigungsschutzgesetz handelt, gilt sie für jeden Betrieb und jeden Mitarbeiter.

Quelle:

gesetze-im-internet.de , eine Website des Bundesministeriums der Justiz; abgerufen am 15.05.2024

Die Expertin

Anja Dombrowsky ist Partnerin der Kanzlei Oppenhoff & Partner in Frankfurt am Main. Die Rechtsanwältin berät Unternehmen in Fragen des Arbeitsrechts.