Kommunikation verbessern
Hilfe, keiner macht, was ich will!

Wenn Mitarbeiter Anweisungen missverstehen, liegt es oft am „Fluch des Wissens". Was das mit Kommunikation zu tun hat und wie Chefs Missverständnisse vermeiden können, zeigen zwei Fallbeispiele.

29. Oktober 2021, 11:10 Uhr, von Jelena Altmann, leitende Redakteurin

Missverständnisse
© knallgrün/Photocase

Sind denn alle blöd? Wie oft soll ich das noch erklären? Warum machen meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nie, was ich sage? Wenn Sie sich das öfter fragen, dann sollten Sie das Experiment der amerikanischen Psychologie-Doktorandin Elisabeth Newton kennen. Sie führte es 1990 an der Stanford University durch.

Newton unterteilte die Versuchspersonen in zwei Gruppen. Die eine Hälfte sollte mit dem Finger auf dem Tisch bekannte Melodien wie „Happy Birthday“ klopfen. Die andere Gruppenhälfte sollte die Lieder erraten. Der Kern der Studie: Die „Klopfer“ sollten vorher einschätzen, wie viele Songs die anderen erkennen würden. Sie vermuteten, dass ihre Zuhörer rund die Hälfte der Lieder erraten werde, tatsächlich waren es aber gerade mal 2 Prozent. Einige Klopfer waren sogar frustriert darüber, dass ihr Geklopfe nicht richtig gedeutet wurde.

Warum selbst einfachste Botschaften nicht ankommen

Mit dieser Untersuchung veranschaulichte Newton einen Effekt, der „Fluch des Wissens“ heißt. Wenn wir mit anderen kommunizieren, setzen wir oft voraus, dass unser Gegenüber denselben Hintergrund hat wie wir und verstehen nicht, warum selbst einfachste Botschaften nicht ankommen.

Auch die Klopfer, die in Gedanken die Melodie hörten, bedachten nicht, dass ihrem Publikum dieses Wissen fehlte. Mit anderen Worten: Wir kommunizieren und handeln viel zu sehr aus unserer eigenen Sicht heraus.

Missverständnisse sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel

Das ist auch der Grund, warum Menschen oft aneinander vorbeireden. „Missverständnisse sind in der zwischenmenschlichen Kommunikation die Regel und nicht die Ausnahme. Denn unsere Gehirne sind unterschiedlich strukturiert, und wir sind alle unterschiedlich sozialisiert“, sagt Anja von Kanitz, Autorin und Kommunikationsberaterin für Führungskräfte.

Sie wollen wissen, in welche Kommunikationsfallen Sie selbst oft tappen?  Hier finden Sie einen Selbsttest: Schwächen in Ihrer Kommunikation aufspüren

So läuft ständig etwas schief, auch in Unternehmen. Häufig münden Missverständnisse zwischen Führungskraft und Angestellten in folgenschweren Fehlern, wenn etwa teure Maschinen kaputtgehen, Kunden abspringen oder die Arbeit doppelt gemacht wird. „In dem Moment, in dem man in einem Missverständnis steckt, erkennt man es oft nicht als solches und ärgert sich zum Beispiel darüber, warum die Gegenseite sich so blöd anstellt“, erklärt von Kanitz.

Drei Leitfragen, die helfen, Fehler zu vermeiden

Viele Pannen ließen sich vermeiden, wenn Chefinnen und Chefs sich den Fluch des Wissens bewusst machen und entsprechend kommunizieren. Nur wie? „Eigentlich ist es ganz einfach“ erklärt der Lübecker Kommunikationsexperte und Führungskräftecoach Stefan Goes. Er empfiehlt, sich drei Leitfragen zu stellen:

  1. Sprechen wir auf der Grundlage derselben Annahmen und Fakten?
  2. Welche Informationen braucht mein Gegenüber?
  3. Habe ich den Dreiklang Kopf-Herz-Verstand berücksichtigt? Konkret heißt das, dass ich mein Gegenüber sowohl logisch als auch emotional abhole und zudem verdeutliche, welche Handlung ich erwarte. („Wir brauchen mehr Umsatz. Nur so bleiben unsere Jobs sicher. Daher müssen alle beim Workshop mitmachen.“)

Wir zeigen zwei Fallbeispiele mit typischen Missverständnissen, die in jeder Firma passieren können. Eine Expertin und ein Experte für Kommunikations- und Führungsfragen erklären, welche Kommunikationsfehler dahinter stecken, und machen Lösungsvorschläge.

Lesen Sie auch dazu: 7 Kommunikationsfallen, die Chefs umgehen sollten

Fall 1: Zu viele Informationen auf einmal

Dass seinem erfahrensten Mitarbeiter so etwas passieren könnte, hätte der Unternehmer Ingo Ullrich nicht gedacht. Seit über 15 Jahren bedient sein Angestellter Dirk Thomas schon die CNC-Fräse bei Authentic Messebau in Hückeswagen bei Köln. Normalerweise baut er damit Messestände, in Zeiten von Corona Tische für ein Ladenlokal. Thomas weiß, was er tut. Trotzdem passierte ihm im Mai 2021 ein schwerer Fehler. „Ich hatte ihm die Aufgabe erklärt, ging in mein Büro und hörte es kurz darauf laut knallen“, erinnert sich Ullrich. Durch eine Fehleinstellung schnitt die Maschine nicht nur durch die Tischplatte – sondern auch durch ein Metallteil der Fräse selbst. Der Schaden: rund 1800 Euro. Was war geschehen?

Das Missverständnis

Drei verschiedene Tischplatten sollte der Kollege an diesem Tag herstellen. Die jeweiligen Maße waren bereits in die Fräse einprogrammiert: Tisch 1, Tisch 2 und Tisch 3. Die Aufgabe des Mitarbeiters: Die Holzplatten mit den unterschiedlichen Größen in der Maschine so zu befestigen, dass die Fräse an den Auflagern vorbeischneidet.

Auf einem Zettel hatte Ullrich die Aufgaben des Tages für seinen Mitarbeiter notiert. „Ich versuche immer Arbeitsabläufe zu optimieren und hatte festgestellt, dass es schneller geht, wenn man erst Tisch 2 und dann Tisch 1 fräst“, erinnert sich Ullrich. Also veränderte er die Reihenfolge der zu bearbeitenden Holzplatten auf dem Zettel, die für das Programm „Tisch 2“ stand ganz oben. „Ich habe ihm die Maße dazugeschrieben und noch einmal erklärt“, sagt Ullrich.

Dass etwas missverstanden werden könnte, konnte er sich nicht vorstellen, zumal auch die Maschine einem die vorher eingestellten Größen anzeigt. Doch darauf achtete Thomas wohl nicht mehr und wählte das falsche Programm, also „Tisch 1“ für Platte 2. Die Maschine fräste sich daraufhin in die eigenen Auflager.

Der Kommunikationsfehler

Ingo Ullrich war davon überzeugt, dass seine Erklärungen eindeutig waren. „Nur weil er denkt und davon ausgeht, dass sein Zettel verständlich ist, ist dem nicht so“, erklärt Führungskräftecoach Kereen Karst aus Münster. Wenn der Sender will, dass die Botschaft richtig beim Empfänger ankommt, sei er auch verantwortlich dafür, deutlich zu transportieren, was er will. „Es ist egal, was du gemeint hast. Entscheidend ist, was beim anderen ankommt“, erläutert sie.

So lässt sich der Fehler verhindern

Expertin Karst empfiehlt, für Eindeutigkeit in Sprache und Kommunikationsweg zu sorgen. Es sei sinnvoll, Zeit für Rückfragen des Empfängers einzuplanen und einen Dialog über anstehende Aufgaben zu führen.

Die Expertin empfiehlt einen eher coachenden Führungsstil. Anstatt dem Mitarbeiter den eigenen Weg vorzuschreiben, hätte Ullrich ihn beispielsweise fragen können: „Dirk, wie würdest du vorgehen, um Arbeitszeit zu sparen?“ Dann wäre der Kollege selbst darauf gekommen, welcher Tisch sinnvollerweise als Erstes an der Reihe ist.

Fall 2: Zu weiche Worte für uneinsichtige Kollegen

Seit über 30 Jahren nutzten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Vermessungsbüros, das lieber anonym bleiben möchte, dieselbe Software. Ein Grafikprogramm, mit dem sich Gebäude und Straßen visualisieren lassen. Doch zeitgemäß und effizient war es nicht mehr. Die Chefin schaffte 2019 eine Software mit neuen Funktionen an. „Man kann damit beispielsweise Häuser in 3D darstellen“, erklärt die Unternehmerin. Doch der Übergang entpuppte sich als schwierig. Zwei Jahre lang liefen beide Programme parallel. Viele Teammitglieder blieben einfach bei der alten Software. Ärgerlich – die Anschaffung hatte mehrere Tausend Euro gekostet.

Das Missverständnis

Für die Chefin ist klar: Wenn die Firma in Zukunft konkurrenzfähig bleiben will, führt kein Weg an der neuen Software vorbei. „Ich wusste: Wir müssen uns bewegen“, sagt die Unternehmerin.

Sie pflegt einen liberalen Führungsstil, will nicht autoritär wirken und vermeidet Botschaften im Befehlston. Sie ging davon aus, dass das Team die Notwendigkeit einer Veränderung selbst erkennt. „Ich versuche mit meinen Team so umzugehen, wie ich möchte, dass man mit mir umgeht. Ich habe es daher mit netten Worten versucht“, erzählt sie. Zum Beispiel: Es wäre schön, wenn ihr das machen könntet.

Sie wollte keinen Druck erzeugen, es gab keine Frist für die finale Umstellung. Der Übergang sollte fließend passieren. Doch einige der Angestellten machten überhaupt keine Anstalten, die neue Software zu benutzen. Bis die Chefin dahinterkam, dauerte es Monate: „Ich lasse mir ja auch nicht jeden Tag alles zeigen“, sagt sie heute.

Der Kommunikationsfehler

Der Lübecker Führungscoach Stefan Goes sieht das Problem in den Formulierungen, die die Unternehmerin nutzte: „Der Fehler war, die klare Botschaft ‚Wir stellen auf das neue Programm um‘ mit Modalwörtern und Konjunktiv aufzuweichen.“ Den Konjunktiv verwenden wir im Deutschen für Situationen, die nicht real sind, etwa wenn wir uns etwas vorstellen oder wünschen. Modalwörter wie möglicherweise, offenbar, wahrscheinlich, vielleicht, sicherlich, oder bestimmt verstärken einen Konjunktiv. Auch sogenannte Modalpartikel sind solche sprachlichen Weichmacher. Dazu zählen Begriffe wie: aber, bloß, denn, doch, wohl, mal. So hat die Aussage „Wir müssen auf das neue Programm umstellen“ eine komplett andere Bedeutung als „Wir müssen mal auf das neue Programm umstellen“.

„Wer die klare Botschaft nicht hören möchte, kann auf diese Weise sehr gut eine Unverbindlichkeit hineininterpretieren“, sagt Kommunikationsexperte Goes. Hinzu komme, dass möglicherweise einige Teammitglieder den partnerschaftlichen Führungsstil der Chefin mit Schwäche oder Inkonsequenz verwechselt haben und sie nicht ausreichend ernst genommen haben.

So lässt sich der Fehler verhindern

Goes rät, Menschen gemäß ihren individuellen Persönlichkeiten anzusprechen. Man kann nicht immer alle gleich behandeln. Auch der Unternehmerin wurde bewusst: Manche brauchen deutlichere Worte, klarere Arbeitsanweisungen und enger gefasste Handlungsvorgaben als andere.

„Besonders bei einem Mitarbeiter muss ich sehr klar sein“, sagt sie. Zudem brauche es Ziele, Deadlines und ein stringentes Projektcontrolling. Heute ist der Umstieg auf die neue Software geschafft. „Wir haben verbindliche Termine festgelegt, und es gab noch einmal Schulungen für alle“, sagt die Unternehmerin.

Mehr lesen über