EM und Arbeitsrecht
Dürfen Beschäftigte während der Arbeit Fußball schauen? Alle Infos zu EM und Arbeitsrecht

Torjubel im Büro, Liveticker auf dem PC: Wie viel Fußfallfieber ist zur EM im Betrieb erlaubt? Dürfen Beschäftigte während der Arbeit Fußball schauen? Das Wichtigste zum Thema EM und Arbeitsrecht.

13. Juni 2024, 02:37 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

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6 lachende Menschen in neutralem Raum. Frau im Vordergrund mit Fußball im Arm.
Dürfen Beschäftigte zur EM Fußball schauen? Ist das Glas Sekt zum Torjubel erlaubt? Solche Fragen zum Thema EM und Arbeitsrecht sollten Chefs und Chefinnen zum Turnierbeginn klären.
© Jovanmandic / iStock / Getty Images Plus

Dürfen Beschäftigte während der Arbeitszeit Fußball schauen?

Viele Unternehmen organisieren – insbesondere bei Spielen mit deutscher Beteiligung – zur EM eine Art unternehmenseigenes Public Viewing in den Betrieben. „Ein Recht darauf, während der Arbeitszeit ein EM-Spiel zu schauen, haben Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen allerdings nicht“, sagt Alexander Bissels, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln.

Grundsätzlich gilt: Während der Arbeitszeit müssen Beschäftigte ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zur Verfügung stellen – dafür werden sie bezahlt.

Dürfen Beschäftigte die Spiele bei der Arbeit im Radio verfolgen?

Sich den Radiokommentar aufs Ohr packen und wenigstens hören, was in den Stadien geschieht? Auch darauf haben Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen grundsätzlich kein Recht. Wenn Chefs und Chefinnen es ausdrücklich verbieten, Teammitglieder aber dennoch während der Arbeitszeit Spiele im Radio verfolgen, kann dies einen Grund für eine Abmahnung darstellen.

Was gilt für die Spielbeobachtung per Liveticker?

Einfach neben der Arbeit immer mal wieder fix den Ticker zum Spielverlauf checken? Klingt unproblematisch, doch auch das ist grundsätzlich nicht erlaubt. „In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, wie Sie als Arbeitgeber oder Arbeitgeberin die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit geregelt haben“, erklärt Arbeitsrechtler Bissels.

Doch selbst wenn privates Surfen grundsätzlich erlaubt sei, umfasse dies in aller Regel nicht eine ausschweifende Nutzung. „Wenn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen  beispielsweise ein komplettes Fußballspiel via Ticker verfolgen, gilt das als exzessiver Gebrauch. Und der kann ein Grund für eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung sein“, so Bissels weiter.

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Wichtig: Um den Regelverstoß nachzuweisen – etwa auch, wenn die private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit verboten ist –, müsste der Browserverlauf des Teammitglieds ausgewertet werden. Dieser Form der Mitarbeiterüberwachung sind indes enge Grenzen gesetzt.

Und was gilt, wenn Angestellte den Ticker nicht über den Firmen-Laptop verfolgen, sondern über ein privates Gerät? Inwieweit das zulässig ist, hängt dem Experten zufolge davon ab, ob Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ein generelles Nutzungsverbot privater Geräte während der Arbeitszeit ausgesprochen haben. „Gibt es kein Verbot, dürfte mit Blick auf eine eventuelle Abmahnung danach zu fragen sein, inwieweit die Arbeit darunter leidet, wenn jemand zum Beispiel auf seinem Smartphone den Ticker zu einem EM-Spiel verfolgt. Dies ist der Fall, wenn jemand Kundenkontakt hat und durch den Ticker abgelenkt ist“, so Bissels.

Dürfen Beschäftigte mit Deutschlandtrikot am Arbeitsplatz erscheinen?

Für manche Fans gehört es in EM-Zeiten einfach dazu, im Trikot zur Arbeit zu kommen. „Wenn die dienstlichen und betrieblichen Belange hierdurch nicht beeinträchtigt werden und keine vom Unternehmen vorgegebene Kleiderordnung besteht, können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tragen, was sie möchten“, sagt Experte Bissels.

Anders liegt der Fall, wenn es im Betrieb Vorgaben zum Aussehen am Arbeitsplatz gibt. Etwa weil die Beschäftigten im Kontakt mit Kunden stehen. „Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen eine Kleiderordnung aufstellen, wenn sie ein berechtigtes Interesse nachweisen können“, erklärt Bissels. Verstoße dann jemand mit einem Deutschlandtrikot gegen einen berechtigten Dresscode, rechtfertige dies eine Abmahnung.

Das Gleiche gilt für die Dekoration des Arbeitsplatzes oder des Dienstwagens. „Sofern Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dies nicht über eine Anweisung einschränken oder sogar verbieten und Kunden oder Kollegen keinen Anstoß daran nehmen, spricht nichts gegen eine Deutschlandgirlande oder andere Accessoires“, so Bissels.

Ist es während der EM erlaubt, am Arbeitsplatz Alkohol zu trinken?

Während der EM gelten arbeitsrechtlich dieselben Regeln wie an allen anderen Tagen. Gibt es in Unternehmen keine konkreten Vorgaben zu Alkohol am Arbeitsplatz, ist der Konsum nicht generell verboten. Haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Alkohol am Arbeitsplatz verboten, etwa über den Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, dann ist er auch während der EM tabu. „Wer gegen dieses Verbot verstößt, riskiert eine Abmahnung oder im Extremfall, etwa wenn eine andere Person dadurch zu Schaden kommt, sogar eine Kündigung“, sagt Bissels.

Haben Chefs und Chefinnen den begründeten Eindruck, dass ein alkoholisiertes Teammitglied nicht mehr arbeiten kann oder gar ein Sicherheitsrisiko darstellt, können und sollten sie die Person nach Hause schicken. Schon, um ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. Für die nicht geleistete Arbeit können Sie die Vergütung einbehalten.

Die gleichen Regeln gelten Bissels zufolge für den Cannabiskonsum am Arbeitsplatz während der EM.

Muss ich Krankmeldungen am Tag nach einem Spiel hinnehmen?

Egal ob jemand nach einem Sieg zu lange gefeiert hat und katerkrank daheimbleibt oder sich etwa während eines Public Viewing verletzt: Arbeitsunfähig ist arbeitsunfähig. Dann können sich Teammitglieder krankmelden. Beschäftigte müssen ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer aber unverzüglich beim Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin anzeigen. Diese ist ärztlich feststellen zu lassen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert – unabhängig davon, ob der Verdacht einer vorgetäuschten Erkrankung besteht. „Allerdings haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Recht, anzuordnen, dass die ärztliche Feststellung bereits am ersten Tag der Erkrankung erfolgen muss“, sagt Anwalt Bissels.

Was gilt in Sachen Vergütung, wenn jemand aufgrund eines Katers nicht zur Arbeit kommt?

Laut § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) müssen Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen weiter die Vergütung zahlen, wenn eine Krankheit unverschuldet ist. „Anders ist es, wenn jemand etwa zugibt, am Abend so viel getrunken zu haben, dass er morgens nicht zu Arbeit kommen konnte. Oder eine Schlägerei provoziert und sich dabei verletzt hat. In diesen Fällen gilt die Arbeitsunfähigkeit als selbstverschuldet“, erklärt Bissels. Dann müsst Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen kein Entgelt für die Fehltage zahlen. „In der Praxis ist es allerdings meistens schwierig, dies nachzuweisen, weil kaum ein Mitarbeiter solch ein Fehlverhalten zugeben würde“, so der Arbeitsrechtler weiter.

Muss ich Mitarbeitern wegen Deutschland-Spielen frei geben?

Egal ob Reisen zu EM-Spielen oder der verkaterte Tag nach dem Finale: Es gibt viele Gründe für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, in EM-Zeiten Urlaub zu nehmen. Im Bundesurlaubsgesetz ist festgelegt, dass der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Wünsche der Beschäftigten berücksichtigen muss – es sei denn, es liegen „dringende betriebliche Belange“ vor. „Diese sind etwa gegeben, wenn durch die Abwesenheit eines Teammitglieds erhebliche Beeinträchtigungen im Betriebsablauf zu erwarten sind. Dann darf der Urlaub verweigert werden“, sagt Bissels.

Dies dürfte dem Experten zufolge jedoch nur bei kurzfristigen Anfragen ein Problem sein. Beantragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen lange im Voraus ihren Urlaub, müsse das Unternehmen grundsätzlich für einen Ersatz sorgen beziehungsweise entsprechend planen.

Und was, wenn mehrere Teammitglieder die gleichen Urlaubswünsche haben? „Dann ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin verpflichtet, unter sozialen Gesichtspunkten abzuwägen“, so Bissels. Dazu gehören etwa das Alter des Teammitglieds, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Zahl der Kinder – aber auch die Erholungsbedürftigkeit infolge von Krankheit oder besonderer Arbeitsbelastung. Ein weiteres Argument, einen Urlaubswunsch abzulehnen, liegt dem Experten zufolge vor, wenn Chefs und Chefinnen bereits einem anderen Teammitglied in einem bestimmten Zeitraum Urlaub gewährt haben.

Auch einzelne oder halbe Urlaubstage können Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen verweigern – etwa wenn mehrere Beschäftigte anlässlich eines EM-Spiels der deutschen Nationalmannschaft frei haben wollen. In dem Fall gilt laut Bissels der „Grundsatz des Vorrangs des ungeteilten Urlaubs“: Haben einzelne Teammitglieder also länger am Stück Urlaub, können diese bevorzugt behandelt werden.

Ein sehr begeisterter Fußballfan bekommt nicht frei – und droht damit, einfach krankzufeiern? Dann muss er mit einer fristlosen Kündigung rechnen, wie das Bundesarbeitsgericht 2009 urteilte (Az.: 2 AZR 251/07).

Dürfen Teammitglieder wegen Deutschland-Spielen früher gehen?

Wer pünktlich zum Deutschland-Spiel mit einem Bier auf dem Sofa sitzen will, muss je nach Arbeits- und Anstoßzeit an Spieltagen früher Schluss machen oder Dienste tauschen. Einen Anspruch darauf haben Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht. „Wer dann trotzdem einfach früher geht, erbringt die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung nicht. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen können dann die Vergütung für die Zeit einbehalten, die Teammitglieder außerdem abmahnen und – im Wiederholungsfall sogar kündigen“, erklärt Bissels. Das Gleiche gelte, wenn Teammitglieder wiederholt zu spät zur Arbeit kämen, etwa aufgrund allzu ausgiebiger Feier-Einheiten nach abendlichen EM-Spielen.

Auch einfach so den Dienst tauschen dürfen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht – selbst wenn andere Teammitglieder damit einverstanden sind. Denn die Einteilung in Schichten unterliegt dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen haben Bissels zufolge dabei nach „billigem Ermessen“ zu entscheiden: Die Hobbys ihrer Beschäftigten müssen Chefs und Chefinnen nicht zwangsläufig berücksichtigen. „Ist also ein fußballbegeistertes Teamitglied einmal in eine Schicht eingeteilt worden, so ist dies für ihn verbindlich“, sagt der Arbeitsrechtler.

Sind Tippgemeinschaften zur Fußball-EM im Betrieb statthaft?

Viele Unternehmen organisieren ganz offiziell im Team Tipprunden zur EM. Doch viele Kollegen und Kolleginnen wetten auch untereinander auf Spielergebnisse. „Finden die Wetten in der Mittagspause oder außerhalb der Arbeitszeit statt und werden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dadurch nicht von der Arbeit abgehalten, dürfte in der Regel nichts gegen derartige Tippgemeinschaften sprechen“, so Experte Bissels.

Ein EM-Tipp zum Schluss

Sprechen Sie vorab mit Ihren Teammitgliedern über das Thema Fußball-EM und vereinbaren Sie klare Regeln. Trikot tragen? Ja, aber nur, wenn keine Kunden da sind! Nach dem Torjubel wird weitergearbeitet! Und kein Bier vor vier! „Auf diese Weise ist allen Seiten klar, was erlaubt ist und was nicht. Ist das gegeben, kommt es in der Praxis selten zu handfesten arbeitsrechtlichen Konflikten“, sagt Arbeitsrechtler Bissels abschließend.

Der Experte
Alexander BisselsAlexander Bissels ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Kanzlei CMS Hasche Sigle Köln.

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