Anweisungen erteilen
So versteht Sie jeder Mitarbeiter

Die Aufgabe war doch klar – warum führen meine Teammitglieder sie trotzdem falsch aus? In der Regel liegt der Fehler bei Ihnen. Drei Fallbeispiele, wie Sie folgenreiche Missverständnisse vermeiden.

21. Oktober 2021, 05:00 Uhr, von Jelena Altmann, leitende Redakteurin

Anweisungen erteilen
© Nazan Akpolat/iStock/Getty Images Plus/Getty Images

So ein Mist! Ein großer Auftraggeber springt ab, das Projekt wird zum Minusgeschäft, Kunden erhalten mangelhafte Produkte – solche Fehler passieren häufig, wenn Chefinnen und Chefs ihren Teammitgliedern Aufgaben übertragen, ohne genau zu sagen, was sie erwarten. Die gute Nachricht ist: Wem das bewusst wird, der kann solche Pannen leicht vermeiden.

Wir zeigen drei Fallbeispiele mit typischen Missverständnissen, die in jeder Firma passieren können. Zwei Expertinnen  für Kommunikations- und Führungsfragen erklären, welche Kommunikationsfehler dahinter stecken und machen Lösungsvorschläge.

Sie wollen vorab wissen, in welche Kommunikationsfallen Sie selbst oft tappen?  Hier finden Sie einen Selbsttest: Schwächen in Ihrer Kommunikation aufspüren

Fall 1: Im Ärger Anweisungen erteilt

Zwei rund 20 Meter lange Aufkleber in Alpenoptik für den Touristenbus in der Region – es war einer der größeren Aufträge für das Ehepaar Josefin und Christian Brandt und ihr Werbetechnikunternehmen Mica – Das Werbewerk aus dem schwäbischen Sonthofen. Doch bei dem lukrativen Bus-Auftrag kam es zu einer Verkettung von verschiedenen Fehlern, sodass ein Schaden zwischen 4000 und 5000 Euro entstand.

Das Missverständnis

Aufkleber an Bussen müssen mehr aushalten als an Autos. „Damit die Folie besser hält, muss es einen breiteren Rand geben“, erläutert Josefin Brandt. Doch in ihrem Eifer vergaß das die zuständige Mitarbeiterin und schnitt diesen ab.

Ein teurer Fehler. „Ich war ziemlich sauer und habe die Mitarbeiterin angewiesen, das zu retten“, sagt Christian Brandt. Was er nicht kommunizierte: dass die Folie nicht zu reparieren ist und neu gemacht werden muss. In einem Meeting stellte er noch ein allgemeines „Läuft alles mit dem Bus?“ in den Raum und erntete ein Kopfnicken. Im Nachhinein fragte er nicht noch einmal nach. „Ich wollte mich dann auch nicht mehr mit dem Thema beschäftigen und dachte mir: Sie weiß schon, was zu tun ist. Mir war es ja auch klar“, sagt er.

Die Mitarbeiterin machte sich aber daran, die Folie ein weiteres Mal zu laminieren, um den nötigen Rand zu erhalten. Das Problem: Der Aufkleber bestand nun aus mehreren Schichten und war zu schwer. Kurz nachdem er auf dem Bus angebracht worden war, lief Wasser in Zwischenräume und verteilte sich unter dem Aufkleber. „Nach zwei Monaten mussten wir alles neu machen“, sagt Josefin Brandt.

Der Kommunikationsfehler

Der Chef hat in seinem Ärger eine Anweisung erteilt, ohne diese konkret zu formulieren. „Wie soll die Mitarbeiterin wissen, was genau und wie sie es retten soll? Hätte sie gewusst, wie es besser geht, hätte sie es gemacht“, mutmaßt die Kommunikationsexpertin Kereen Karst aus Münster. Auf diese Weise habe der Chef die Mitarbeiterin mit dem Problem allein gelassen. „Das löst weitere Unsicherheit und gegebenenfalls sogar Angst bei der Mitarbeiterin aus. Diese gerät unter inneren Druck, und es ist vorhersehbar, dass das Ergebnis nicht besser wird“, erläutert sie. Auch Christian Brandt hat mittlerweile erkannt, was er falsch gemacht hat: „Ich hätte genau sagen müssen: Schmeiß es weg und mach es neu“, sagt er rückblickend.

So lässt sich der Fehler verhindern

Anweisungen unter starken Emotionen bringen meist nichts. „Besser wäre gewesen: Ruhe bewahren, sich selbst einmal runterkochen, atmen und sich mit der Mitarbeiterin hinsetzen, um die Situation zu reflektieren und zu besprechen“, erklärt Expertin Karst. Dabei können folgende Fragen helfen: Was ist geschehen? Wie kam es zu dieser Situation? Was ist die Idee der Mitarbeiterin dabei gewesen? Wie kann das Problem noch gelöst werden?

Fall 2: Zu viel Wissen vorausgesetzt

Das Grundstück war gekauft, doch bevor der Neubau 2019 beginnen konnte, musste noch ein altes Gebäude abgerissen werden. Für Schultheiss Wohnbau aus Nürnberg, das jährlich bis zu 300 Wohnungen errichtet, ist das ein normaler Vorgang. Trotzdem verzögerte sich der Baubeginn mehr als vier Wochen, weil sich keiner um den Abriss gekümmert hatte. Der Stillstand kostete pro Tag rund 2500 Euro.

Das Missverständnis

Bevor ein Gebäude abgerissen werden kann, müssen sämtliche in Wänden, Böden und im Dach enthaltenen Baustoffe untersucht werden. Dafür werden spezialisierte Unternehmen beauftragt. „Das ist bei uns die Aufgabe des Grundstückseinkaufs“, erklärt Vorstand Thomas Gröne. Die Abteilung hatte es bei diesem Bauprojekt vergessen. Normalerweise kein Problem, da sie stets von der Bauleitung kontrolliert und erinnert wird. „Das lief bisher immer so“, erzählt Gröne. Nur: In der Bauleitung hatte eine neue junge Kollegin angefangen, die mit den Abläufen nicht vertraut war. Sie ging davon aus, dass sich der Einkauf von selbst kümmern werde.

Auch Chef Gröne verließ sich darauf, dass alle Abläufe eingehalten werden: „Wir begleiten eng das Tagesgeschäft und sprechen regelmäßig mit unseren Bauleitern“, erklärt Gröne. „Wer nicht weiterweiß, kann uns jederzeit fragen. Die Türen stehen offen“, sagt er.

Der Kommunikationsfehler

„Wir Führungskräfte verlassen uns zu sehr darauf, dass Mitarbeiter von selbst nachfragen, wenn sie nicht weiterwissen“, erklärt Susanne Lorenz, Expertin für Business-Kommunikation und Führungskräftecoach aus Berlin. Doch trotz ausdrücklicher Aufforderung tun sie es häufig eben nicht. Das hat verschiedene Gründe: Im Fall der Baufirma war die Einarbeitung der Mitarbeiterin vermutlich nicht so umfassend, dass sie wusste, was sie nachfragen muss. „Wenn ich nicht genau weiß, wer für welche Aufgaben zuständig ist, frage ich auch nicht“, erklärt Expertin Lorenz. Bei Schultheiss haben sich Arbeitsabläufe eingeschliffen, die für langjährige Teammitglieder selbstverständlich sind. Die Führungskräfte setzten bei der neuen Kollegin zu viel Wissen voraus.

Ein weiterer Grund, warum manche ungern nachfragen: „Sie möchten nicht als inkompetent dastehen“, erklärt Coach Susanne Lorenz. Die Hemmung ist umso größer, je schlechter die Fehlerkultur im Betrieb ist.

So lässt sich der Fehler verhindern

Chefinnen und Chefs können einiges dazu beitragen, Ängste und Hemmungen abzubauen. Insbesondere bei neuen Teammitgliedern in der Onboarding-Phase. „Es können schon Formulierungen helfen, wie: ,Es ist völlig okay, wenn Sie dreimal nachfragen. Möglicherweise hätte ich die Aufgaben anders erklären sollen‘“, sagt Coach Lorenz. Ein weiterer Tipp: Nach dem Motto „Jeder fängt klein an“ können Führungskräfte auch von eigenen Pannen in ihrer beruflichen Anfangszeit erzählen.

Weil bei Schultheiss in den vergangenen Jahren mehrere neue Kollegen hinzugekommen sind und sich solche Missverständnisse häuften, wurden große Veränderungen angestoßen. Alle Prozesse und Verantwortlichkeiten werden aktuell mit der gesamten technischen Abteilung geprüft, neu entwickelt und aufgeschrieben.

Fall 3: Zu weiche Worte für uneinsichtige Kollegen

Seit über 30 Jahren nutzten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Vermessungsbüros, das lieber anonym bleiben möchte, dieselbe Software. Ein Grafikprogramm, mit dem sich Gebäude und Straßen visualisieren lassen. Doch zeitgemäß und effizient war es nicht mehr. Die Chefin schaffte 2019 eine Software mit neuen Funktionen an. „Man kann damit beispielsweise Häuser in 3D darstellen“, erklärt die Unternehmerin. Doch der Übergang entpuppte sich als schwierig. Zwei Jahre lang liefen beide Programme parallel. Viele Teammitglieder blieben einfach bei der alten Software. Ärgerlich – die Anschaffung hatte mehrere Tausend Euro gekostet.

Das Missverständnis

Für die Chefin ist klar: Wenn die Firma in Zukunft konkurrenzfähig bleiben will, führt kein Weg an der neuen Software vorbei. „Ich wusste: Wir müssen uns bewegen“, sagt die Unternehmerin.

Sie pflegt einen liberalen Führungsstil, will nicht autoritär wirken und vermeidet Botschaften im Befehlston. Sie ging davon aus, dass das Team die Notwendigkeit einer Veränderung selbst erkennt. „Ich versuche mit meinen Team so umzugehen, wie ich möchte, dass man mit mir umgeht. Ich habe es daher mit netten Worten versucht“, erzählt sie. Zum Beispiel mit: „Es wäre schön, wenn ihr das machen könntet.“

Sie wollte keinen Druck erzeugen, es gab keine Frist für die finale Umstellung. Der Übergang sollte fließend passieren. Doch einige der Angestellten machten überhaupt keine Anstalten, die neue Software zu benutzen. Bis die Chefin dahinterkam, dauerte es Monate: „Ich lasse mir ja auch nicht jeden Tag alles zeigen“, sagt sie heute.

Der Kommunikationsfehler

Der Lübecker Führungscoach Stefan Goes sieht das Problem in den Formulierungen, die die Unternehmerin nutzte: „Der Fehler war, die klare Botschaft ‚Wir stellen auf das neue Programm um‘ mit Modalwörtern und Konjunktiv aufzuweichen.“ Den Konjunktiv verwenden wir im Deutschen für Situationen, die nicht real sind, etwa wenn wir uns etwas vorstellen oder wünschen. Modalwörter wie möglicherweise, offenbar, wahrscheinlich, vielleicht, sicherlich oder bestimmt verstärken einen Konjunktiv. Auch sogenannte Modalpartikel sind solche sprachlichen Weichmacher. Dazu zählen Begriffe wie: aber, bloß, denn, doch, wohl, mal. So hat die Aussage „Wir müssen auf das neue Programm umstellen“ eine komplett andere Bedeutung als „Wir müssen mal auf das neue Programm umstellen“.

„Wer die klare Botschaft nicht hören möchte, kann auf diese Weise sehr gut eine Unverbindlichkeit hineininterpretieren“, sagt Kommunikationsexperte Goes. Hinzu komme, dass möglicherweise einige Teammitglieder den partnerschaftlichen Führungsstil der Chefin mit Schwäche oder Inkonsequenz verwechselt haben und sie nicht ausreichend ernst genommen haben.

So lässt sich der Fehler verhindern

Goes rät, Menschen gemäß ihren individuellen Persönlichkeiten anzusprechen. Man kann nicht immer alle gleich behandeln. Auch der Unternehmerin wurde bewusst: Manche brauchen deutlichere Worte, klarere Arbeitsanweisungen und enger gefasste Handlungsvorgaben als andere.

„Besonders bei einem Mitarbeiter muss ich sehr klar sein“, sagt sie. Zudem brauche es Ziele, Deadlines und ein stringentes Projektcontrolling. Heute ist der Umstieg auf die neue Software geschafft. „Wir haben verbindliche Termine festgelegt, und es gab noch einmal Schulungen für alle“, sagt die Unternehmerin.

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