Prozessmanagement
Wie Sie mit klaren Prozessen strukturiert wachsen

Das Unternehmen NSC Sicherheitstechnik wird größer und expandiert ins Ausland. Klare Prozesse helfen der Firma strukturiert zu wachsen. Wie auch Sie Ihre Prozesse mit einfachen Mitteln dokumentieren und standardisieren können.

16. August 2021, 06:50 Uhr, von Anna Wilke, Redakteurin

Prozesse standardisieren
© Marie Maerz/Photocase

Geschäftsprozesse – für Andreas Diekmann aus Bielefeld war das viele Jahre gleichbedeutend mit dem Qualitätsmanagement-Handbuch. Ein bürokratischer Wälzer, der den Namen eigentlich nicht verdiente. Denn handlich waren die ausgedruckten Seiten nicht, auf denen das gesamte Unternehmen beschrieben war. Nutzlos für den Arbeitsalltag, aber Pflicht. Die Firma NSC Sicherheitstechnik, die Diekmann gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer leitet, stellt Feuermeldersysteme her und brauchte daher seit der Gründung im Jahr 2003 eine Zertifizierung nach ISO-9000-Norm, um gewisse Qualitätsstandards nachzuweisen. Dazu hatte das NSC-Team im Handbuch bereits viele Arbeitsabläufe festgehalten. „Das war aber nicht mehr zeitgemäß. Wer guckt schon in so ein Buch. Und wenn sich ein Prozess veränderte, musste man alles neu ausdrucken“, erinnert sich Diekmann.

Im Jahr 2015 wurde die ISO-Norm aktualisiert. Eine der Neuerungen: Gedruckte Handbücher sind nun nicht mehr vorgeschrieben. Firmen können ihre Arbeitsabläufe auch digital dokumentieren, um die Zertifizierung zu erhalten.

Das Team wächst

Diekmann und sein Team nahmen das zum Anlass, alle Geschäftsprozesse einmal unter die Lupe zu nehmen. Das war auch dringend nötig, denn das Unternehmen war in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Von anfänglich 6 Angestellten wuchs das Team auf heute knapp 80 Köpfe, ein Viertel davon im Ausland. Tendenz steigend.

„Je größer ein Team wird, desto wichtiger werden klare Prozesse“, erklärt Unternehmensberaterin Simone Glitsch aus Bonn, die das NSC-Team bei dem Projekt unterstützt hat. Das hat drei Gründe:

Erstens befindet sich in einem wachsenden Unternehmen regelmäßig ein neues Teammitglied in der Einarbeitungsphase. „Und ich war es leid, ständig alle einzelnen Abläufe neu zu erklären“, sagt Diekmann.

Zweitens gibt es immer mehr Personen, die die gleichen Aufgaben erledigen. So hat NSC inzwischen mehrere Außendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Und Menschen gehen Aufgaben meist sehr unterschiedlich an. „Wenn man fünf Verkäufer fragt, haben die sechs Prozessvarianten“, sagt die Expertin Simone Glitsch. Die verschiedenen Teammitglieder sollten ihre Arbeitsabläufe sinnvoll vereinheitlichen, um einen einheitlichen Qualitätsstandard zu erreichen.

Drittens bedeuten mehr Menschen auch mehr Schnittstellen, an denen es zu Schwierigkeiten kommt – was nach einer prozessualen Vereinfachung ruft.

Gemeinsam ans Ziel

Wichtig war es Andreas Diekmann, dem ganzen Team klarzumachen, dass es ausschließlich um eine bessere Zusammenarbeit ging. „Bei dem Wort Prozessoptimierung wussten manche nicht genau, was sich dahinter verbirgt, und hatten Sorge, dass vielleicht ihr Arbeitsplatz wegrationalisiert wird“, erinnert sich der Unternehmer.

In einem offenen Brief an alle Angestellten verdeutlichte Diekmann noch einmal die Vorteile für jeden Einzelnen. „Ich habe sehr früh versucht, die Ängste zu nehmen, und erklärt, dass unsere Arbeitsabläufe mit unserem Wachstum mithalten müssen. Das hat gut funktioniert“, erzählt er.

Endlich verständlich

Die Prozessbeschreibungen fertigten die Teammitglieder in Kleingruppen gemeinsam mit ihrer jeweiligen Abteilung an. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen ihre Arbeit schließlich am besten“, sagt Diekmann. Insgesamt brauchte das Team über zwei Jahre, bis das Projekt abgeschlossen war. Aber das hat sich gelohnt. „Besonders als die Pandemie kam und viele aus dem Team ins Homeoffice gewechselt sind“, sagt Diekmann. Wenn Kolleginnen und Kollegen sich nicht schnell im Flur oder der Kaffeeküche absprechen können, sind klare Arbeitsabläufe noch wichtiger als sonst. Vor allem für Angestellte, die noch nicht lange im Unternehmen sind.

In welcher Form die Prozesse dokumentiert werden, ist laut Expertin Simone Glitsch fast egal. Sie sieht das pragmatisch. „Das Wichtigste ist, dass die Beschreibung für den Anwender verständlich ist“, sagt sie. Eine Checkliste mit hilfreichen Leitfragen zum Herunterladen finden Sie hier.

Das NSC-Team legt die dokumentierten Prozesse im Intranet in einer Art Wiki ab. Es funktioniert wie ein Nachschlagewerk mit zahlreichen Querverweisen und lässt sich einfach durchsuchen. Neben Beschreibungstexten können auch Diagramme, Fotos oder Screenshots eingefügt werden – eben alles, was der verständlichen Darstellung dient. Für neue Teammitglieder eine enorme Hilfe.

Jetzt bitte einheitlich

Beim Dokumentieren der Prozesse fiel den NSC-Angestellten immer wieder auf, dass die Arbeitsabläufe selbst innerhalb von Teams oft uneinheitlich waren. „Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben festgestellt, dass sie teilweise leicht unterschiedlich arbeiten. Jeder so, wie er es für richtig hält. Und gewisse Dinge haben sich mit der Zeit eingeschliffen“, erzählt Diekmann. Darüber ausgetauscht hatte sich vorher niemand. Warum auch? Die Aufgaben wurden schließlich irgendwie erledigt – aber immer etwas anders.

Im neuen Intranetsystem wurde nun alles vereinheitlicht. So gibt es jetzt eine Anleitung, die genau zeigt, wie ein Feuermelder in einen Karton gepackt wird. „Die besteht einfach aus fünf Bildern, die zeigen wie die Anlage transportsicher verpackt wird“, sagt Glitsch. Mitarbeiter müssen keine mehrseitigen Anleitungen mehr lesen, sondern sehen auf den ersten Blick, wie sie es machen sollten.

An anderen Stellen optimierte das Team auch ganze Abläufe. Beispielsweise wenn jemandem ein schnellerer Weg einfiel, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.

Bei der Optimierung der Prozesse sieht Andreas Diekmann allerdings noch Luft nach oben. Daher sind in der nächsten Zeit noch größere Digitalisierungsprojekte geplant. Das Warenwirtschaftssystem soll künftig mit dem Onlineshop verknüpft werden. Im Shop verkauft NSC neben eigenen Produkten Zubehör wie Kabel oder Akkus. Aktuell muss jemand die vorhandene Ware händisch in das Shop-System eingeben. Fehleranfällig, mühsam – und vor allem zeitverzögert. „Wenn wir das lösen, wäre das für unsere Kunden, aber auch für uns ein wahnsinnig großer Schritt nach vorn“, sagt Diekmann.

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