Unternehmertum im Wandel
3 Generationen, 1 Gemeinsamkeit: Lust auf Unternehmertum

Märkte, Rahmenbedingungen, Kunden – alles verändert sich. Zwei Unternehmer und eine Unternehmerin aus drei Generationen über bedrohliche Ereignisse, Lust auf Neues und Momente, aus denen sie Kraft schöpfen.

22. September 2020, 13:48 Uhr,

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In 40 Jahren hat sich im Unternehmertum viel verändert
© Eoneren / E+ / Getty Images

40 Jahre gibt es impulse; die Erstausgabe ­erschien am 5. September 1980. Ein Zeitraum, der drei Unternehmergenerationen umspannt. Ein ­Anlass, mit Entrepreneuren aus diesen drei ­Generationen darüber zu sprechen, wie sich die Herausforderungen für Unternehmer in dieser Zeit gewandelt haben und ob früher wirklich alles besser war.

Zum Online-Interview im August 2020 sind erschienen: Friedrich-Wilhelm Eckstein, 64, der den Vogelpark Heiligenkirchen 1986 von seinem Vater übernahm; Christiane Betschart, 54, die 2000 mit ihrem Mann den Messebaubetrieb CMB Expo gründete; sowie Maximilian Runge, 24, der mit seiner Social-Media-Agentur ­RocketWM im zweiten Jahr ist.

impulse: Herr Runge, was haben Ihre Eltern gesagt, als Sie Ihr Studium abgebrochen haben, um Unternehmer zu werden?

Runge: „Ja, probier es“, haben sie gesagt. „Wenn du Fragen hast, komm zu uns. Ansonsten viel Glück.“ Mein Vater hat ein Hutgeschäft und selbst die Berufsschule abgebrochen. Er gab mir viel Einblick, mit welchen Problemen er zu kämpfen hatte. Das habe ich hautnah mitbekommen. Deshalb lag es gar nicht so fern, mich selbstständig zu machen.

Herr Eckstein, Sie sind gelernter Zahntechniker und haben diesen Beruf auch zunächst ausgeübt. Die Selbstständigkeit mit einem Vogelpark schien da nicht unbedingt vorgezeichnet.

Eckstein: Als ich 13 Jahre alt war, eröffnete mein Vater den Vogelpark. Ab da fuhr ich jedes ­Wochenende mit meinen Eltern in den Park und ­verkaufte Souvenirs oder Eis. Mit 17 fing ich dann eine Lehre als Zahntechniker an. Mit dem Ziel, ein zahntechnisches Labor zu haben, die Meister­prüfung abzulegen. Aber dann bekam mein Vater einen Herzinfarkt. Ich zog mit 21 Jahren nach ­Detmold, wo der Park ist. Tagsüber habe ich als Zahntechniker gearbeitet und abends noch den Vogelpark gemanagt. Das habe ich bis 30 gemacht. Dann habe ich mich für den Vogelpark entschieden und meinen Beruf aufgegeben.

Und das, obwohl der Park Ihr Leben als Jugendlicher nicht eben einfacher gemacht hat.

Eckstein: Das war nicht immer lustig. Ich war oft unzufrieden, etwa als die ersten Freundinnen kamen. Die liefen mir nach zwei Jahren immer weg, weil sie sahen, dass ich eine Sieben-Tage-­Woche hatte. Mein Vater hat einfach vorausgesetzt, dass ich mitarbeite, und das war nicht toll.

Warum haben Sie den Park dann trotzdem übernommen?

Eckstein: Ich hatte diese Leidenschaft für die Tiere, und mein Ziel war immer die Selbstständigkeit. Ob ich als Meister ein Zahntechniklabor habe oder ­irgendetwas anderes, das war mir egal.

Frau Betschart, Sie haben im Jahr 2000 gemeinsam mit Ihrem Mann ein Messe­bauunternehmen gegründet. Was war Ihr ­Antrieb?

Betschart: Ich denke, es war einfach meine Grundeinstellung, dass ich mir alles zugetraut habe. Ich war gerade mit dem BWL-Studium fertig und hatte ein dreijähriges Kind zu Hause. Mein Mann arbeitete damals bereits zehn Jahre bei seiner Verwandtschaft in einem ­Messebauunternehmen. Dort hieß es, er könne die Firma einmal übernehmen. Das hat aber letztendlich aus finanziellen Gründen nicht geklappt. Als aber klar war, dass er seine Kunden aus der Firma mitnehmen kann, haben wir gesagt: Komm, das schaffen wir, das machen wir!

Wie war der Start?

Betschart: Unser Glück war, dass wir keine hohen laufenden Kosten hatten und keine Schulden. Ich hatte überhaupt keine Scheu, das Ganze zu machen. Mein Mann hat noch eineinhalb Jahre lang nebenbei in seinem früheren Beruf als Fahrlehrer gearbeitet. Er war tagsüber im Auto und am Telefon. Ich war im Büro. Unterstützt haben uns noch ein paar ehemalige Kollegen meines Mannes, die mitgegangen waren. Wir haben für 5000 Mark Material gekauft und dann am Tiefgaragenstellplatz unseren ersten Messestand zusammen­geschraubt. Das war unser erster kleiner Auftrag.

Was macht für Sie Erfolg als Unternehmer aus?

Betschart: Ich finde es schon toll, wenn Zahlungen auf dem Konto eingehen. Extrem befriedigend finde ich aber zu sehen, dass wir mit unserer ­Arbeit 25 Leute mit ihren Familien ernähren. Und die kommen gern zur Arbeit.

Runge: Erfolg ist für mich, dass ich mit dem, was ich die letzten fünf Jahre kostenlos im Internet gelernt habe, ein Unternehmen aufbauen kann und jetzt im zweiten Jahr bin. Das ist für mich ­einfach mindblowing. Der zweite Punkt ist, dass wir mit den Kunden, die wir betreuen, tolle Er­gebnisse feiern können. Das würde ich als Erfolg ­bezeichnen.

Eckstein: Wenn ich mit meinem Team unseren Gästen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, das ist für mich ein Erfolg. Klar muss ich das natürlich alles auch finanzieren können und brauche dafür Einnahmen.

Wie werden Unternehmerinnen und Unter­nehmer heute in der Gesellschaft gesehen? Was ­erleben Sie?

Eckstein: Manchmal sehr negativ. Ich stelle das an unseren Nachbarn fest. Wir arbeiten ja auch sonntags. Wenn dann viele Autos vor der Tür stehen, dann verbinden die das gleich mit viel Umsatz und sagen: „Euch geht es ja wieder gut“. Neid ist ein großes Problem. Aber dass wir wegen Corona zeitweise fast 97 Prozent Umsatzeinbruch hatten, das wird nicht gesehen.

Betschart: Im Gegensatz zu dem, was Herr ­Eckstein erzählt, habe ich sehr positive Rück­meldungen aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Leute kommen und fragen: „Wie geht’s euch? Habt ihr schon eine Perspektive, tut sich schon was?“ Das tut sehr gut.

Herr Eckstein, wie haben Sie 97 Prozent Umsatzrückgang überstanden?

Eckstein: Mein Sohn hat vor drei Jahren einen Onlineshop eingerichtet. Den habe ich erst ­belächelt. Eintrittskarten gibt es doch an der Kasse, dachte ich. Ich habe ihn aber gelassen. Im End­effekt hat uns dieser Onlineshop dann ­gerettet. Wir haben darüber Patenschaftsurkunden verkauft. Diese Einnahmen waren für uns überlebensnotwendig.

Sie haben im Park lange gemeinsam mit Ihrem Vater gearbeitet. Hat er Sie auch gelassen?

Eckstein: Mein Vater konnte nicht loslassen. Ich stieß ständig auf Widerstand. Im Laufe der Jahre konnte ich mich aber immer durchsetzen. Dadurch habe ich gelernt, dass ich es anders machen will, wenn ich mal Chef bin. Ich werde frühzeitig aufhören, um nicht vor neuen Dingen verschlossen zu sein. Mit 64 fange ich mit Facebook und Instagram nicht mehr an. Das macht mein Sohn. Er ist das neue Gesicht im operativen Geschäft und will den Park weiter ausbauen.

Herr Runge, wenn Sie sich heute jemandem vorstellen, sagen Sie dann: Ich bin Unternehmer?

Runge: Erst im dritten Satz, wenn überhaupt. Ich möchte generell nicht im Mittelpunkt stehen. Im Freundeskreis bin ich als einziger Unternehmer allerdings der Rockstar. „Das ist so cool, wir trauen uns das nicht“, sagen die anderen. Aber sie sehen nicht die Arbeit dahinter, welche Risiken wir haben oder mit welchen Problemen wir kämpfen. Die andere Sicht, die ich teilweise aus der Familie meiner Freunde mit­bekomme, ist: „Er ist Unternehmer, also ist er erfolgreich.“

Würden Sie sich als mutig ­bezeichnen?

Runge: Teils, teils. Wir haben gar nicht gewusst, was auf uns zukommt, als wir gegründet haben. Unternehmertum bedeutet für mich der Weg zu mir selbst, weil ich grundsätzlich immer sehr interessiert bin, neue Sachen auszuprobieren. Jetzt setze ich etwas um und stoße auf Probleme, an die ich nicht gedacht habe. Und da habe ich in vielen unterschiedlichen Lagen ­entdeckt, wie ich mit Ängsten, Mut oder Zorn ­umgehe.

Was haben Sie über sich gelernt?

Runge: Dass ich gar nicht so cool bin, wie ich immer denke. Nicht, dass ich das sein möchte, aber ich werde oft so wahrgenommen. Dabei mache ich mir viele Gedanken, und manche Sachen gehen mir doch näher als gedacht. Deshalb bin ich froh, dass ich nicht allein bin, sondern einen Geschäftspartner habe, mit dem ich Probleme gemeinsam lösen kann.

Wie hat sich die Beziehung zwischen ­Unternehmen und Kunde in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt?

Eckstein: Gewaltig. Der Kunde will immer mehr Leistung haben, ist aber nicht bereit, dafür zu ­zahlen. Im Moment, in der Corona-Zeit, sind die Leute sehr ungehalten. Wir haben einen Hygiene­plan mit unserem Ordnungsamt abgestimmt. Wir haben verschiedene Attraktionen zugelassen. Die Leute sind trotzdem unzufrieden oder beschweren sich, dass zu viele Besucher im Park sind. ­Andere wiederum beklagten sich, als wir sonntags Autos abweisen mussten. Dass mein Sohn nicht erschlagen wurde, war ein Glück. „Warum schickst du uns jetzt weg?“, hieß es. Weil der Park einfach voll war! Aber keiner hatte Verständnis. Es gibt aber auch wieder viele Leute, die das bewundern, was wir machen, die es loben, die uns mit fünf Sternen bewerten, die glücklich sind.

Betschart: Wir haben nur mit Unternehmen zu tun. Das Verhältnis zu den Projektleitern hat sich geändert. Der persönliche Kontakt ist in unserer Branche extrem wichtig. Als Dienstleister machst du für den Kunden alles, damit der seinen Job optimal erledigen kann und immer wieder gern mit dir zusammenarbeiten möchte. Inzwischen ist es in manchen Betrieben so, dass in bestimmten Abständen die Mitarbeiter wechseln, damit kein zu enger persönlicher Kontakt entsteht. Es muss alles standardisiert und rechtlich fundiert sein, es gibt strenge Compliance- und Abrechnungsregeln.

Was ist daran problematisch?

Betschart: Eigentlich macht unseren Job aus, dass wir improvisieren, schnell und auch mal fantasievoll reagieren. Wenn einer gesagt hat: „Ich brauche jetzt noch zwei Stehtische mit Stühlen, organisier das mal über Nacht“, dann haben wir das getan und natürlich auch in Rechnung gestellt. Jetzt, mit den eng gefassten Verträgen, ist die Abwicklung viel aufwendiger geworden. Das ist zwar wichtig, bremst allerdings auch.

Was macht für Sie einen guten Chef aus?

Betschart: Den Spagat zu schaffen: Zum einen die Zügel straff zu halten, aber auch am anderen Ende gewisse Freiheiten zu lassen.

Wo sollte man das eine, wo das andere machen?

Betschart: Wenn es um die Qualität des Jobs geht: Da müssen 100, 120 Prozent gegeben werden. Der Kunde ist der König. Wenn ein Mitarbeiter es in der Früh aber mal nicht schafft, um 8 Uhr auf der Matte zu stehen, ist es nicht so schlimm, wenn er erst um halb neun da ist. Die Jungs können sich auch mal das Auto ausleihen oder sich für die Privatparty Möbel mit nach Hause nehmen. Wir sind als Chefs auch mal für private Probleme da und hören zu. Wenn das Kind krank ist und ­einer nicht zur Arbeit kommen kann, sagen wir: Ja, bleib ­daheim.

Eckstein: Wichtig ist, mit seinen Mitarbeitern respektvoll umzugehen. Als ich damals anfing, habe ich meinen Mitarbeitern eine Mappe zur Verfügung gestellt, wo unter anderem mein Konzept und meine Ziele drinstanden. Dann habe ich begonnen, jeden Morgen mit allen zu frühstücken, damit sie genau wussten, was ich vorhabe.

Frau Betschart, Herr Eckstein, Sie können Herrn Runge jetzt einen Tipp geben zum Thema Mitarbeiterführung. Welcher ist das?

Betschart: Loben, loben, loben. Etwa wenn der Mitarbeiter einen Lösungsvorschlag macht, auf den man selber nicht gekommen ist. Aber auch deutliche, konstruktive Kritik üben. Also sagen, wenn es überhaupt nicht gut war und der Kunde unzufrieden ist. Einfach ehrlich und aufrichtig sein.

Eckstein: Geld ist nicht alles für die Mitarbeiter. Sie brauchen eine gute Unternehmenskultur, sie wollen wirklich wertgeschätzt werden und auch Feedback bekommen. Das finde ich sehr wichtig.

Herr Eckstein, Sie gucken in dieser Runde auf die längste Erfahrung als Unternehmer zurück. Was war das prägendste Erlebnis in diesen 34 Jahren?

Eckstein: Die Vogelgrippe 2006, da war ich 50 Jahre alt. Das war sehr kritisch. Das Veterinäramt hat uns untersagt zu öffnen. Der Stress und die Unsicherheit haben mir dann Neurodermitis an die Hand beschert. Meine Haut hat sofort reagiert. Heute habe ich das im Griff durch gute Fachärzte. Das waren Erlebnisse, die kein Mensch braucht.

War die Situation bedrohlicher als heute in der Coronakrise?

Eckstein: Sie war genauso bedrohlich. Die ­Menschen hatten Angst, wenn Sie das Wort Vogel hörten. Auch als wir wieder öffnen durften, hatten wir nur wenige Besucher. Als die Vogelgrippe dann 2007 kein Thema mehr in den Medien war, kamen auch die Besucher wieder.

Hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch etwas zum Besseren gewandelt?

Eckstein: Erst mal das Negative: Alles ist sehr ­bürokratisch geworden. In vielen Behörden haben die Menschen nicht mehr den Schneid, etwas zu entscheiden. Ich habe für unseren Sohn zwei ­Hektar Gelände dazugekauft. Wir warten seit viereinhalb Jahren auf die Änderung des Flächen­nutzungsplans, weil überall irgendwelche Ämter angehört werden müssen. Früher konnte ich viel schneller Entscheidungen umsetzen. Positiv: Es ist nicht mehr ganz so anstrengend wie früher für mich. Alles ist etwas lockerer geworden, weil wir durch unsere Mitarbeiter stark entlastet werden.

Hat sich an den Rahmenbedingungen, also an den Dingen, die Sie gar nicht beeinflussen ­können, irgendetwas verbessert?

Eckstein: Das kann ich wirklich nicht beantworten.

Betschart: Verbessert? Nein, ich glaube nicht. Verschlechtert hat sich die Bürokratie. Die Spontanität, die unseren Job ausgemacht hat, ist verloren gegangen. Das Positive ist, dass du aus deiner ­Erfahrung schöpfen kannst und dich halt einfach nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen lässt.

Wenn Sie die Entscheidung, Unternehmerin oder Unternehmer zu werden, heute noch mal treffen müssten, würden Sie wieder Ja sagen?

Eckstein: Ich würde Ja sagen. Das ist Freiheit für mich, das war ganz entscheidend.

Betschart: Auf jeden Fall.

Runge: Ja. Man lernt aus Fehlern. Aber diese ­Entscheidung war kein Fehler.

Gab es einen Moment, in dem Sie die ­Entscheidung bereut haben?

Betschart: Einen? Viele! (lacht)

Können Sie so einen Moment beschreiben?

Betschart: Wenn du zwei Tage und Nächte an einer Ausschreibung arbeitest und einfach nur noch auf dem Zahnfleisch daherkommst, dann denkst du: Warum muss ich das jetzt machen? Wenn ich angestellt wäre, müsste das jemand anderes tun, und ich müsste mir nicht den Kopf darüber zerbrechen. Aber dann ist das Ganze fertig und abgegeben und du bekommst den Zuschlag. Dann ist das wieder vergessen. Dann hast du deine Belohnung bekommen.

Runge: Ich könnte es als Angestellter leichter ­haben. Ich schaue aber ins Positive und sage: Unternehmertum ist das Richtige. Und die Möglichkeiten, die sich für uns ergeben, sind unfassbar.

Eckstein: Während der Vogelgrippe und jetzt durch Corona habe ich mich wie fremdgesteuert gefühlt. Ich habe keine Fehler gemacht, und andere diktieren mir etwas, was ich gar nicht beeinflussen und verändern kann. Da hatte ich schon mal das Gefühl: Was für ein schlechter Job! Aber grundsätzlich: immer wieder Unternehmer.

Interview: Jonas Hetzer und Andreas Kurz

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