Machfit
„Unsere Kaffeerechnung toppte den Umsatz“

2011 gründeten Philippe Bopp und vier Freunde Machtfit, einen externen Dienstleister für betriebliches Gesundheitsmanagement. Was ist aus der Idee geworden? Und wo steht Machtfit heute?

15. September 2020, 15:57 Uhr, Katja Scherer

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© Anita Back

Philippe Bopp kam seine Geschäftsidee im Praktikum. Der Student arbeitete damals bei einem Sporthersteller und stellte fest: Viele Beschäftigte gingen dort auch deswegen gern ins Büro, weil es so viele Sportangebote vor Ort gab. Bopp kam der Gedanke, solche Angebote auch in anderen Firmen einzuführen – als externer Dienstleister für betriebliches Gesundheitsmanagement.

Gemeinsam mit vier Kommilitonen und Freunden gründete er die Machtfit GmbH. Diese stellt Unternehmen eine Online-Plattform zur Verfügung, über die Mitarbeiter Sportkurse buchen sowie Trainingspläne erstellen können und Gesundheitstipps bekommen. Die Plattform wird jeweils individuell an die Bedürfnisse von Firmen angepasst, zum Beispiel indem Betriebssportgruppen integriert werden.

impulse: Herr Bopp, rückblickend betrachtet: Wie viel von Ihrem ersten Businessplan ist wahr geworden?

Philippe Bopp: Unsere Kernidee ist gleich geblieben. Allerdings waren unsere Annahmen für Kennzahlen wie Umsatz oder Kundenwachstum recht optimistisch. Wir hatten als Studenten keinerlei Erfahrungswerte. Dafür war unsere Lernkurve umso steiler.

Wann kam der Realitätsschock?

Ziemlich am Anfang. Wir wollten beim Start binnen drei Monaten herausfinden, ob unsere Geschäftsidee funktioniert. Dazu haben wir Unternehmen abtelefoniert und ihnen von der Idee erzählt. Die meisten fanden sie toll. Nur die Verträge kamen nicht zurück. Nach und nach konnten wir zwar einige überzeugen. Aber, ich sag mal: Unsere Kaffeerechnung toppte den Umsatz.

Was war das Problem?

Wir waren nicht an die Entscheider herangekommen, die über Budgets verfügen. Gerade dort hätte es aber Überzeugungsarbeit gebraucht. Viele betrachteten es damals nämlich als nette Spielerei, sich um gesunde Mitarbeiter zu bemühen, nicht als Notwendigkeit. Der Fachkräftemangel war noch nicht stark genug.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Das war eine schwierige Phase, und wir hätten nach einem Jahr fast aufgegeben. Dann hat uns aber der Kampfgeist gepackt. Wir haben uns hingesetzt, noch mal intensiv den Markt analysiert und uns Rat von erfahrenen Coaches geholt. Dabei haben wir gemerkt, dass wir schon vieles richtig machen. Aber bei einem so neuen Thema braucht man als Gründer einfach einen viel längeren Atem.

Wie haben Sie diesen „langen Atem“ finanziert?

Zu Beginn der Gründung hatten wir einen Kredit in Höhe von 60.000 Euro bei der Investitionsbank Berlin aufgenommen. Später haben wir uns Investoren gesucht und einen mittleren siebenstelligen Betrag eingesammelt. Wir Gründer haben keine Ersparnisse eingebracht, uns aber anfangs längere Zeit kein oder kaum Gehalt ausgezahlt.

Inzwischen zählen Unternehmen wie Bayer und Total zu Ihren Kunden. Wie ist das gelungen?

Wir haben irgendwann verstanden: Um an Entscheider heranzukommen, müssen wir belegen, dass unser Produkt Firmen erfolgreicher macht. Wer heute High Potentials anlocken will, braucht besondere Mitarbeiterangebote, wie ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement. Wir haben daher mit Daten belegt, dass unser Produkt nicht nur die Gesundheit von Mitarbeitern stärkt, sondern auch das Firmenimage verbessert. Das hat die Zahlungsbereitschaft deutlich erhöht.

Ab wann hat sich das ausgezahlt?

Nach gut vier Jahren. Anfang 2016 zog das Geschäft an. Auch, weil der Fachkräftemangel spürbar wurde und das Präventionsgesetz in Kraft getreten war. Dadurch können Krankenkassen unser Angebot kofinanzieren. Seitdem geht es bergauf.

Wie hat sich die Coronakrise ausgewirkt?

Wir haben im März die Zahl der Online-Sportkurse auf unserer Plattform deutlich erhöht. So können wir bestehenden Kunden weiterhin einen Mehrwert bieten. Die Krise erschwert es aber, neue Kunden zu gewinnen. Viele Unternehmen zögern, Budgets freizugeben. Die allgemeine Unsicherheit ist groß. Wir bieten daher temporär ein neues, schlankes Produkt an, mit dem Unternehmen zu einem vergleichsweise günstigen Preis auf unsere digitalen Gesundheitskurse zugreifen können.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Wir sind jetzt knapp 50 Leute und merken, dass wir intern neue Strukturen brauchen. Daran arbeiten wir stark. Außerdem wollen wir weitere deutsche Großunternehmen als Kunden gewinnen. Das ist viel Arbeit, weil diese meist komplexe Vergabeverfahren haben. Mittelfristig ist es für uns eine Option, ins europäische Ausland zu expandieren.

Steckbrief

Name, Alter: Philippe Bopp, 35

Firma: Machtfit GmbH

Gründungsdatum: 7. Oktober 2011

Standort: Berlin

Erster Businessplan: 2010/2011

Erstmals in impulse: Juli 2012

Plan und Realität

Damals (2011)

Umsatzerwartung (für 2019): > 10 Mio. €

Gewinnerwartung (für 2019): > 1 Mio. €

Mitarbeiter: 5 Gründer, 0 Mitarbeiter

Büro- und Lagerfläche: 20 m2 Küche

Urlaubstage: 14

Auto: Golf IV, 1999

Heute

Umsatz (2019): mittlerer siebenstelliger Betrag

Gewinn (2019): sechsstelliger Verlust

Mitarbeiter: 46

Büro- und Lagerfläche: circa 550 m2

Urlaubstage: 21

Auto: Volvo V70, 1998

Früher dachte ich, dass Gründen mit einem guten Produkt ein Selbstläufer ist.

Heute weiß ich, dass das nicht stimmt. Es ist immer harte Arbeit.

Wenn ich nicht gegründet hätte, hätte ich zunächst mein Masterstudium beendet.

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