ESG für Unternehmen
ESG-Berichtspflicht für Unternehmen – Fristen, Kriterien und Umsetzungstipps

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden in der Geschäftswelt immer wichtiger. Unternehmen müssen sich an strengere ESG-Kriterien anpassen. Doch was bedeutet das konkret? Ein Überblick.

19. Juli 2024, 13:14 Uhr, von Peter Neitzsch, Wirtschaftsredakteur

Graphische Darstellung einer Wippe, die sich im Gleichgewicht befindet, mit drei Bäumen auf der linken und einer Fabrik auf der rechten Seite.
Blühende Landschaften oder rauchende Schornsteine? ESG-Kriterien für Unternehmen tragen zu mehr Nachhaltigkeit bei.
© Richard Drury / Digital Vision / Getty Images

Definition: Was bedeutet ESG?

Immer mehr Unternehmen müssen Rechenschaft darüber ablegen, wie nachhaltig sie wirtschaften. Im Kern geht es dabei um die Frage: Wie schneiden Unternehmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab. Diese drei Bereiche werden unter dem Kürzel ESG zusammengefasst – für die englischen Begriffe: Environmental, Social und Corporate Governance.

  • Environmental (Umwelt) umfasst alle Maßnahmen, die das Unternehmen ergriffen hat, um die Umwelt zu schützen, Ressourcen zu schonen und den CO2-Ausstoß zu verringern.
  • Social (Soziales) betrifft die Arbeitsbedingungen im Betrieb, Vielfalt und Gleichberechtigung im Team, Menschenrechte in der Lieferkette und den gesellschaftlichen Beitrag des Unternehmens.
  • Corporate Governance (Unternehmensführung) bezieht sich auf Strukturen, Praktiken und Richtlinien im Unternehmen – etwa mit Blick auf Management, Kontrollen und Compliance.

Unternehmen müssen immer mehr ESG-Kriterien in Form von Auflagen und Gesetzen beachten. Doch die Anforderungen kommen nicht nur aus der Politik: Auch die Ansprüche von Kunden, Geschäftspartnern oder Banken an nachhaltiges Wirtschaften steigen ständig.

Welche ESG-Kriterien für Unternehmen gibt es?

„Für den ESG-Bereich gibt es zwei maßgebliche Regularien auf EU-Ebene“, sagt Timo Busch, Betriebswirt und Inhaber des Lehrstuhls für Energie- und Umweltmanagement an der Universität Hamburg.

  • Da ist zum einen die ESG-Berichtspflicht, die größere Firmen direkt betrifft – und die von diesen auch an kleinere Unternehmen weitergereicht wird, die Teil der Lieferkette sind.
  • Zum anderen gibt es europaweit ESG-Vorschriften für Banken und Investoren, die indirekt alle Unternehmen betreffen, die Geld am Kapitalmarkt aufnehmen.

Beide Regelwerke sehen vor, dass Daten auch über das eigene Unternehmen hinaus berichtet werden müssen. In der Praxis würden insbesondere Informationen über den CO2-Ausstoß in der Lieferkette benötigt, so Busch. „Deshalb kommen große Unternehmen immer wieder auf ihre Lieferanten zu und verlangen detaillierte Auskünfte.“

Daneben gibt es noch eine Reihe weitere Gesetze, die zum ESG-Bereich gezählt werden. Das ist etwa das Lieferkettengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz.

Was ist die ESG-Berichtspflicht für Unternehmen?

Die ESG-Berichtspflicht für Unternehmen basiert auf einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2022. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wurde jeweils in nationales Recht überführt. Unternehmen müssen in einem Nachhaltigkeitsbericht offenlegen, wie sie ESG-Kriterien umsetzen. Ziel ist es, Transparenz für Investoren, Kunden und andere Stakeholder zu schaffen.

Große börsennotierte Unternehmen mussten in Deutschland bereits seit 2014 unter der Vorgängerregelung Non-Financial Reporting Directive (NFRD) einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. „Mit der aktuellen Richtlinie hat die EU diese Regelung noch einmal deutlich verschärft und ausgeweitet“, erklärt der Experte für nachhaltiges Wirtschaften, Timo Busch.

Nach und nach sind also immer mehr Unternehmen von der ESG-Berichtspflicht betroffen.

Welche Unternehmen fallen unter die ESG-Berichtspflicht?

Unternehmen sind verpflichtet einen Nachhaltigkeitsbericht nach den neuen Vorschriften zu verfassen, wenn die unten aufgelisteten Punkte auf sie zutreffen. „Sind zwei von drei Kriterien erfüllt, muss man bereits einen Bericht erstellen“, sagt Busch. Dafür gelten die folgenden Fristen:

Ab dem 1. Januar 2024 greift die Berichtspflicht für Unternehmen von öffentlichem Interesse (in Deutschland sind das börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen) mit mehr als 500 Mitarbeitern, die bereits unter die alte Regelung fielen.

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Ab dem 1. Januar 2025 gilt sie für große Unternehmen mit

  • mehr als 250 Mitarbeitern,
  • einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro,
  • einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro.

Ab dem 1. Januar 2026 für kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen mit

  • mehr als 10 Mitarbeitern,
  • einem Jahresumsatz von 900.000 Euro,
  • einer Bilanzsumme von 450.000 Euro.

Als „kapitalmarktorientiert“ gelten Unternehmen, die an der Börse notiert sind, Anleihen begeben oder anderweitig bei Kleinanlegern Geld einsammeln. Personengesellschaften oder kleine Kapitalgesellschaften, wie die meisten GmbHs, sind also in der Regel nicht berichtspflichtig – auch wenn sie zwei der drei oben genannten Kriterien erfüllen.

Wichtig: Kleine und mittlere Unternehmen, die von der Regelung ab 2026 betroffen sind, können auch einen Aufschub bis 2028 beantragen. Danach sind lediglich Kleinstunternehmen von der Pflicht ausgenommen sowie Unternehmen, die sich nicht am Kapitalmarkt orientieren.

Was bedeutet ESG bei Banken und im Finanzsektor?

Doch nicht nur Unternehmen, die unmittelbar von der Berichtspflicht betroffen sind, sollten sich Gedanken über ihre ESG-Bilanz machen. Auch Banken achten zunehmend auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese etwa bei der Kreditvergabe. Auch das geht auf eine EU-Richtlinie zurück. „Die zweite wichtige Nachhaltigkeitsrichtlinie der EU betrifft den Bereich der Finanzregulatorik“, erklärt der Hamburger Professor Timo Busch.

Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verpflichtet Akteure des Finanzmarkts wie Banken oder Fonds offenzulegen, wie nachhaltig ihre Investments sind. „Und diese Informationen müssen die Banken wiederum bei den Unternehmen einholen“, sagt Busch.

Zuständig für die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie ist die Bankenaufsicht des jeweiligen Landes – in Deutschland ist das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Die Bafin führt Prüfungen durch, um sicherzustellen, dass Banken die ESG-Kriterien einhalten und eine Nachhaltigkeitsprüfung bei der Kreditvergabe durchführen.

Banken prüfen daher standardmäßig die ESG-Performance von Kreditnehmern. Unternehmen mit einem schlechten ESG-Rating müssen mit höhere Kreditkosten rechnen oder haben Schwierigkeiten überhaupt einen Kredit zu erhalten.

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Was ist der Unterschied zwischen ESG und EU-Taxonomie?

Von den ESG-Regularien zu unterscheiden ist der Bereich der EU-Taxonomie. „Die EU hat an ganz unterschiedlichen Stellen begonnen zu regulieren“, erläutert Busch. Bei der EU-Taxonomie handelt es sich um ein Klassifikationssystem, das dabei hilft, Wirtschaftsaktivitäten als ökologisch nachhaltig einzustufen.

Dafür hat die EU ein System aus Benchmarks entwickelt, beispielsweise wie viel Tonnen CO2 bei der Produktion einer Tonne Stahl üblicherweise ausgestoßen werden. Ein Verfahren, das im Vergleich dazu Energie spart, würde dementsprechend als „grün“ eingestuft.

Die EU-Taxonomie kann Unternehmen bei der Orientierung helfen, wenn Rohstoffe eingekauft oder selbst produziert werden. „Das betrifft allerdings eher große und produzierende Unternehmen“, so Busch. Die meisten kleineren Unternehmen dürften mit diesem Klassifikationssystem nicht in Berührung kommen. Es geht hier nur um einige konkrete Aktivitäten.

Anders beim ESG-Bereich: „ESG-Kriterien betreffen immer das ganze Unternehmen – unabhängig von der Größe oder der Branche.“

Was passiert, wenn Unternehmen ESG-Kriterien nicht erfüllen?

Halten sich Unternehmen nicht an die ESG-Vorschriften, kann das für sie in verschiedener Hinsicht negative Konsequenzen haben. Dazu gehören finanzielle Sanktionen wie Bußgelder, wenn gesetzliche Vorgaben verletzt wurden, aber auch Reputationsschäden bei Kunden, Investoren und Geschäftspartnern.

Schließlich kann die Nichtbeachtung von ESG-Kriterien die Finanzierung erschweren, da immer mehr Investoren und Banken Geld nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vergeben.

Welche Vorteile bietet die Einhaltung der ESG-Kriterien?

Nicht nur für Banken sind ökologische und soziale Kriterien wichtig. „Arbeitnehmer und Kunden achten immer mehr darauf, wie die Produkte hergestellt werden“, sagt Busch. „Wenn man hier mit ökologischen Verfahren punkten kann, wird das künftig ein echter Wettbewerbsvorteil sein.“

In Zeiten des Fachkräftemangels kann es für Unternehmen auch interessant sein, sich als nachhaltig wirtschaftender Arbeitgeber zu positionieren – und das gezielt im Recruiting zu benutzen. „Bewerbern aus der jüngeren Generation sind Themen wie Ökologie und Klimawandel sehr wichtig.“

Einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und dies aktiv zu kommunizieren, kann daher auch für Unternehmen sinnvoll sein, die von der ESG-Berichtspflicht bislang noch nicht betroffen sind.

Was muss im ESG-Nachhaltigkeitsbericht stehen?

Ein ESG-Nachhaltigkeitsbericht sollte darüber informieren, was ein Unternehmen in den drei Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung tut. In der Regel enthält jeder Bericht einen qualitativen Teil, den Unternehmerinnen und Unternehmer relativ frei gestalten können.

So kann ein gut strukturierter ESG-Bericht neben den aktuellen Aktivitäten auch Ziele nennen, die sich das Unternehmen gesteckt hat – und beschreiben, mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Vorgeschrieben ist das allerdings nicht.

Deutlich stärker reguliert ist dagegen der quantitative Teil, in dem Unternehmen verpflichtet sind, bestimmte Kennzahlen offenzulegen – etwa zum CO2-Ausstoß, zur Recyclingquote oder zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern im Betrieb.

Welche Indikatoren das in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung genau sind, lässt sich etwa dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) entnehmen. Der vom Rat für Nachhaltige Entwicklung ausgearbeitete DNK-Standard soll besonders kleinen und mittleren Unternehmen helfen, einfach in die ESG-Berichterstattung einzusteigen.

Wie können Unternehmen ihre ESG-Bilanz verbessern?

„In dem meisten Firmen gibt es ‚low hanging fruits‘, die sich leicht ernten lassen“, sagt Busch. In vielen Bereichen ließe sich etwa ohne großen Aufwand Energie sparen. Damit lassen sich nicht nur die Kosten senken – das ist gleichzeitig auch der größte Hebel, um den CO2-Verbrauch des Unternehmens zu reduzieren.

„Ich würde immer mit dem Thema CO2 und Energieverbrauch anfangen“, rät Busch. „Denn das wird früher oder später auf alle Firmen zukommen.“ Gleichzeitig steht den Unternehmen hier auch ein Koffer mit etablierten Werkzeugen zur Verfügung. So gibt es im Internet etwa kostenlose CO2-Rechner wie der von Ecocockpit, mit deren Hilfe sich der jeweilige CO2-Ausstoß ermitteln lässt.

„Im nächsten Schritt kann man sich um weitere Kriterien kümmern, die Unternehmen erfüllen sollten, um ihre ESG-Bilanz zu verbessern“, erläutert Busch.

Auch hier hilft die DNK-Website weiter. Dort lassen sich auch Berichte anderer Unternehmen einsehen und zur Inspiration für einen eigenen Bericht nutzen. „Das ist ein guter Ausgangspunkt, um sich mit der Thematik zu befassen“, so Busch.

Der Experte
Prof. Dr. Timo Busch ist Inhaber des Lehrstuhls für Energie- und Umweltmanagement an der Universität Hamburg. Der Betriebswirt forscht unter anderem zu den Themen nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltige Finanzierung.

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