Nein sagen lernen
3 Übungen für respektvolles Abgrenzen

Wer immer Ja sagt, brennt irgendwann aus. Trotzdem können viele Menschen nicht ohne Schuldgefühle Nein sagen. Dabei lässt sich das respektvolle Nein sagen lernen - mit diesen einfachen Übungen.

6. Juni 2024, 11:04 Uhr, von Anna Wilke, Redakteurin

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Nein sagen lernen
Nein sagen lernen - das fällt nicht jedem Menschen leicht.
© knallgrün / Photocase / Photocase Addicts GmbH

Als Chefin oder Chef kennen Sie das sicher: Ständig will jemand etwas von Ihnen. Eine Mitarbeiterin klopft in der Mittagspause an die Bürotür. Ein potenzieller Kunde hat einen Auftrag, der gar nicht zu Ihrem Unternehmen passt. Schon wieder eine LinkedIn-Einladung zu einer Abendveranstaltung. Und wer kümmert sich eigentlich um die Würstchen fürs Sommerfest? Bei all den Wünschen von außen ist es umso wichtiger sich besser abzugrenzen und auch mal Nein sagen zu lernen.

Ohne Nein sagen droht der Burnout

Führungskräfte müssen sowohl die Unternehmensziele als auch die Bedürfnisse ihrer Teams im Auge behalten. „Chefinnen und Chefs stehen daher oft unter enormem Erwartungsdruck,“ erklärt Gisela Ruffer, Expertin für persönliche Grenzen und Autorin des Buches „Selbstbewusst Nein sagen: Grenzen setzen – Grenzen achten“. Wer in der Firma jedoch alles annimmt und nicht Nein sagen kann, steuert direkt auf ein Burnout zu. Schließlich hat der Tag nur 24 Stunden und gutes Zeitmanagement hat seine Grenzen. Ruffer betont: „Wenn wir keine Grenzen setzen, können wir unsere eigenen Bedürfnisse weder erkennen noch vertreten. Ein klares Nein bewahrt uns vor Überforderung.“

Welche Ursachen hat es, dass Menschen nicht Nein sagen können?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und strebt grundsätzlich nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Das ist zunächst einmal nichts Schlechtes. Denn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe verspricht uns Stabilität, und dafür sind wir auch bereit, unsere eigenen Interessen gelegentlich zurückzustellen. Das ist der Hauptgrund, warum wir eher Ja als Nein sagen. Es komme aber auf das richtige Maß an, so Ruffer.

Wie gut wir Grenzen setzen können, hängt auch mit Erfahrungen und Prägungen in der Kindheit zusammen. „Kinder lernen oft, dass sie für Hilfsbereitschaft und Anpassung belohnt werden“, sagt Ruffer. Das kann dazu führen, dass sie als Erwachsene nur schwer Nein sagen können – aus Angst vor Ablehnung oder negativen Konsequenzen. Die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren, kann so verkümmern.

Ein weiterer Grund liege in der Persönlichkeitsstruktur. „Es gibt Menschen, die besonders anfällig dafür sind, ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zu vernachlässigen“, erklärt Ruffer. „Diese Menschen produzieren viel Serotonin. Dieses Hormon fördert Geduld und die Fähigkeit, Unannehmlichkeiten zu ertragen. Das macht es möglich, unmögliche Situationen und unmögliche Menschen zu ertragen“, sagt Gisela Ruffer.

Besonders betroffen sind laut Ruffer Führungskräfte, die im sozialen Bereich arbeiten – zum Beispiel in Altenheimen. Der Beruf ziehe oft besonders empathische Menschen an. „Diese neigen dazu, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und Überlastung zu ignorieren“, so die Expertin.

Wie kann ich Nein sagen lernen?

„Das Setzen von Grenzen ist eine erlernbare Fähigkeit. Nein sagen zu lernen, erfordert Zeit und Übung – ähnlich wie das Vokabellernen“, sagt Ruffer. „Es beginnt damit, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und auszudrücken.“

Machen Sie kleine Schritte und beginnen Sie mit einfachen Situationen. Sagen Sie beispielsweise Nein zu einer Einladung, wenn Sie keine Zeit haben. Je öfter Sie das üben, desto leichter fällt es Ihnen in schwierigeren Situationen.

In der Firma können auch klare Regeln dabei helfen, das Nein sagen zu erleichtern. „Es ist hilfreich, wenn Unternehmen Leitlinien haben, die den Rahmen für Entscheidungen und Grenzen vorgeben,“ meint Ruffer. Also beispielsweise klare Regeln zu Home Office oder Urlaubsanträgen. Diese Leitlinien sollten regelmäßig kommuniziert und überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie von allen verstanden und akzeptiert werden.

Nein sagen lernen mit 3 Übungen

Gisela Ruffer empfiehlt folgende Übungen, mit denen Sie das Nein sagen üben können:

1. Was will ich wirklich?

Suchen Sie sich einen ruhigen Ort und legen Sie Schreibmaterial bereit. Wählen Sie nun ein Thema, das sie gerade umtreibt. Schließen Sie nun die Augen und fragen Sie sich: Was will ich? Schreiben Sie den ersten Gedanken auf, der Ihnen in den Sinn kommt.

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Wiederholen Sie nun die Fragen und legen die Betonung auf das Ich. Was will ICH wirklich?! Notieren Sie wieder Ihren ersten Gedanken. Dann wiederholen Sie die Frage erneut. Fragen Sie sich: Was will ich wirklich?! „Das Gehirn ist wie eine Zwiebel. Und Schale für Schale kommen wir näher an das Innere heran“, erläutert Ruffer. Diese Übung helfe dabei, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen.

2. Tagebuch

Eine ganz praktische Übung, um Nein sagen zu lernen: Führen Sie ein Tagebuch und reflektieren Sie täglich, wie Sie sich in verschiedenen Situationen gefühlt haben. Notieren Sie dabei insbesondere Momente, in denen Sie Ja gesagt haben, obwohl Sie Nein sagen wollten. Fragen Sie sich: Warum habe ich Ja gesagt? Welche Konsequenzen hatte das für mich und mein Wohlbefinden? Haben Sie Ihre Grenzen gewahrt oder überschritten? Was hat gut funktioniert und was nicht?

Das regelmäßige Reflektieren hilft Ihnen, Muster zu erkennen und besser zu verstehen, was Ihnen guttut und was nicht. Sie können so gezielt an Ihren Schwächen arbeiten und lernen, in ähnlichen Situationen besser zu reagieren.

3. Spiegel-Übung

Üben Sie vor dem Spiegel, um Ihr Selbstvertrauen zu stärken. Stellen Sie sich vor den Spiegel und sagen Sie laut „Nein“ zu verschiedenen hypothetischen Anfragen. Achten Sie dabei auf Ihre Körperhaltung, Mimik und Stimme. Versuchen Sie, fest und entschlossen zu wirken. Wiederholen Sie diese Übung regelmäßig, um Ihre Fähigkeit zu festigen, klar und selbstbewusst Nein zu sagen.

Stellen Sie sich vor, dass Ihnen jemand eine realistische Anfrage stellt, der Sie normalerweise zustimmen würden, obwohl Sie es nicht möchten. Üben Sie, klar und freundlich Nein zu sagen, und beobachten Sie, wie sich Ihre Körpersprache und Ihr Tonfall entwickeln. Dies kann helfen, Ihre Entschlossenheit und Klarheit zu verbessern und Ihnen das Vertrauen geben, in echten Situationen standhaft zu bleiben.

Zweite Phase dieser Übung zum Nein sagen lernen: Statt vor dem Spiegel können Sie auch mit einer vertrauenswürdigen Person in einem Rollenspiel Szenarien durchspielen. Dabei können Sie auch verschiedene Formulierungen ausprobieren.

Mit welcher Formulierung kann ich wertschätzend Nein sagen?

Wertschätzendes Nein-Sagen kann geübt werden. Gisela Ruffer schlägt vor, sich vorher gute Formulierungen zu notieren, um sie in der entsprechenden Situation parat zu haben. „Danke, dass du mich fragst, aber ich habe leider keine Zeit“, ist eine Formulierung, die Ruffer vorschlägt. Wichtig sei es, Respekt und Verständnis zu zeigen, aber auch die eigenen Grenzen klar zu kommunizieren.

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Andere Beispiele für Formulierungen zum wertschätzenden Nein sagen sind:

  • Bieten Sie eine Alternative an, wenn Sie ablehnen müssen. Zum Beispiel: „Ich kann leider nicht den ganzen Tag helfen, aber ich habe eine Stunde Zeit“.
  • Zeigen Sie dem Gegenüber die Konsequenzen auf einer Zusage auf: „Wenn ich länger bleibe, verpasse ich meinen Zug.“
  • Verweisen Sie auf einen Grundsatz: „Ich treffe grundsätzlich keine Entscheidung, ohne eine Nacht darüber zu schlafen.“

Was tun bei negativen Reaktionen auf ein Nein?

Negative Reaktionen auf ein Nein sind unvermeidlich. „Man sollte davon ausgehen, dass niemand über ein Nein begeistert ist“, sagt Ruffer. Gerade Führungskräfte müssen daher lernen, mit negativen Reaktionen umzugehen. Bleiben Sie ruhig und sachlich. Erklären Sie Ihre Gründe klar und zeigen Sie Verständnis für die Enttäuschung des Gegenübers.

Lassen Sie sich nicht von emotionalen Reaktionen beeinflussen. Denken Sie daran, dass es in Ordnung ist, Nein zu sagen. Ihr Wohlbefinden ist genauso wichtig wie das der anderen. Negative Reaktionen sind normal und sollten nicht entmutigen. Ihr Nein ist ein Zeichen von Stärke und Selbstrespekt. Daher ist es unabdingbar, Nein sagen zu lernen.

Die Expertin
Gisela Ruffer führt eine Praxis für Psycho-und Paartherapie in Landshut. Außerdem ist sie Autorin des Buches "Selbstbewusst NEIN sagen: Grenzen setzen - Grenzen achten" (Jungfermann, 29 Euro).

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