Hochsensitive Führungskräfte
Hochsensitiv? Dann sollten Sie diese fünf Herausforderungen nicht ignorieren

Etwa 30 Prozent aller Unternehmer und Unternehmerinnen sind hochsensitiv. Wer das Persönlichkeitsmerkmal im Alltag mitdenkt, kann von Stärken profitieren und die Gefahr mindern, auszubrennen.

29. November 2023, 22:15 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

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Hochsensitive Führungskräfte
© Meranna / iStock / Getty Images Plus

Wer hochsensitiv ist, hat ein besonders aktives zentrales Nervensystem – nimmt also sehr viel mehr Umgebungsreize wahr und verarbeitet diese intensiver. Mit diesem Persönlichkeitsmerkmal gehen im Arbeitsalltag bestimmte Stärken einher – hochsensitive Menschen sind etwa häufig besonders kreativ, empathisch und gewissenhaft und denken tiefgründig -, aber auch Herausforderungen. So sind Hochsensitive (oft auch „Hochsensible“ genannt) anfälliger für Stress und dadurch gefährdeter für Burn-out.

Ein Problem: Viele Unternehmerinnen und Unternehmer wissen nichts von diesem Persönlichkeitsmerkmal. Und wenn doch, fällt es ihnen mitunter schwer, es anzuerkennen. „Viele reagieren sehr emotional auf das Thema Hochsensitivität. Einfach, weil es nicht mit den Stereotypen von Durchsetzungsstärke, Belastbarkeit und Härte assoziiert ist, die man an der Unternehmensspitze vermeintlich braucht“, erklärt Lore Sülwald, Coachin aus Hohen ­Neuendorf bei Berlin.

Wer sich die eigene Hochsensitivität dagegen bewusst macht und die folgenden fünf Herausforderungen meistert, kann seinen eigenen Erfolg und die persön­liche Zufriedenheit fördern.

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Herausforderung 1: Grenzen bewusster wahrnehmen

„Menschen an der Unternehmensspitze treffen weitreichende Entscheidungen und tragen viel Verantwortung. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich selbst gut kennen und ihre Grenzen einschätzen können“, sagt Julia Breuer, Wirtschaftspsychologin und systemische Coachin aus Hamburg. Maximale und immerwährende Leistungsfähigkeit sei eben nicht selbstverständlich. „Die Erhaltung der eigenen Ressourcen ist besonders bei hochsensitiven Menschen wichtig, damit sie wirksam bleiben und ihre ­Stärken erfolgreich nutzen können.“

Eine Aufgabe, die auch Coachin Kathrin Sohst aus Reinbek bei Hamburg als zentral ansieht. Dabei helfe es, sich bewusst zu machen, dass jeder Mensch Reiz- und Überlastungsschwellen hat. „Bei Hochsensitiven sind sie eben nur schneller erreicht. Das anzuerkennen ist unerlässlich, um nicht in den Burnout zu rutschen.“

Herausforderung 2: Deutlich mehr Pausen einplanen

Vielwahrnehmende Menschen bräuchten Zeiträume, um die Reizflut zu verarbeiten, sagt Expertin Breuer. „Wenn dies nicht gelingt, kann das ihre Produktivität einschränken, und sie können weniger von ihren Stärken profitieren, wie ihrer Intuition und Wahrnehmungstiefe.“ Für hochsensitive Chefs und Chefinnen sei aber genau das wichtig, um die Organisation weiterzuentwickeln, Neues zu kreieren oder Risiken zu wahrzunehmen.

Wie schwierig es sein kann, den ­Arbeitsalltag entsprechend anzupassen, weiß Coachin Sohst aus eigener Erfahrung. Inzwischen gestaltet sie ihren ­Kalender immer so, dass auf Hochleistungszeiten ausreichend lange Pausen folgen. „Das Gute: Meistens kommen mir dann gute Ideen. Es sind also ­kreative Auszeiten, die meine Arbeit am Ende wieder bereichern – in denen ich mich aber trotzdem auch erhole.“

Herausforderung 3: Das Arbeitsumfeld anpassen

Coachin Sülwald rät Unternehmerinnen und Unternehmern, sich das Privileg bewusst zu machen, den Arbeitsalltag weitgehend eigenverantwortlich gestalten zu können – auch wenn es sich vielleicht anders anfühle. Um individuelle Stressoren zu identifizieren und zu umgehen, empfiehlt sie, sich die gleiche Frage zu stellen wie den Angestellten: Was brauche ich, um gut arbeiten zu können? „Tun Sie das am besten regelmäßig. Denn häufig verändern sich ­unsere Bedürfnisse mit dem Alter.“

Ähnlich sieht es Unternehmensberater und Hochsensitivitäts-Forscher Patrice Wyrsch aus der Schweiz: „Während sich einige Hochsensitive etwa durch starke optische und akustische Reize belastet fühlen, kann bei anderen eher der Druck, viele Aufgaben gleichzeitig abarbeiten zu müssen, ein Hauptproblem sein.“ Entsprechend helfe es den einen vielleicht besonders, die ­Belichtung zu optimieren und möglichst in Stille zu arbeiten – und anderen, ­bestimmte Aufgaben umfassend zu ­delegieren.

Herausforderung 4: Den eigenen Anspruch hinterfragen

„Hochsensitive Menschen haben in den allermeisten Fällen einen extrem hohen Anspruch an sich selbst. Das führt zum einem dazu, dass sie häufig schon eine kleine Kritik komplett durcheinanderbringt – und sie zum anderen ihre ­hohen Erwartungen auf Teammitglieder übertragen und sie damit ungewollt überlasten“, sagt Sülwald. Sich beides bewusst zu machen, helfe oft schon, den eigenen Perfektionismus ein wenig zu begrenzen und sich und andere nicht zu überlasten.

Herausforderung 5: Stärken mehr in den Fokus rücken

Die eigene Hochsensitivität zu reflektieren macht es den Fachleuten zufolge außerdem leichter, Potenziale besser ausschöpfen zu können. Etwa indem man Unterstützung einholt. „Sie könnten sich beispielsweise eine Person suchen, mit der Sie die Geschäftsführung teilen. Eine Person etwa, die gut managen kann, gern strukturell arbeitet, die schaut, dass die Zahlen stimmen. Und die vielleicht den Wettbewerb braucht, um sich zu motivieren – also auch die kompetitiven Aufgabenbereiche übernehmen könnte“, sagt Coachin Sülwald. Das schaffe Freiraum, Stärken auszuspielen und sich kreativen Aufgaben widmen zu können. „Etwa denen, Trends wahrzunehmen und eine tragfähige Unternehmensstrategie für die Zukunft zu entwickeln – und sich als Führungskraft dem Team zu widmen.“

Auch Expertin Breuer sieht hochsen­sitive Menschen als grundsätzlich gut geeignet für Führungsaufgaben. „Sie haben häufig ein gutes Gespür für die Talente und Potenziale der einzelnen Teammitglieder. Da ihnen oftmals Werte wie Sinnhaftigkeit, Menschlichkeit, Vielfalt, berufliche Entfaltung und Entwicklung wichtig sind, liegt ihnen meist viel daran, eine entsprechende Unternehmenskultur zu schaffen – eine Atmosphäre also, die von psychologischer Sicherheit und Vertrauen geprägt ist.“

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