Vielfalt im Recruiting
So bekommen Sie alle an Bord!

Sie wollen Stellenanzeigen cleverer formulieren, um mehr Bewerbungen zu erhalten – und außerdem vielfältigere? Recruiting-Expertinnen geben sechs Tipps, mit denen das Vorhaben leicht gelingt.

3. März 2023, 15:15 Uhr, von Gesche Peters

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Vielfalt im Recruiting
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Vielleicht kommt Ihnen folgende Situation bekannt vor: Sie haben schon zum dritten Mal eine Stelle ausgeschrieben und bekommen trotzdem keine passenden Bewerbungen. Das könnte daran liegen, dass Sie Formulierungen nutzen, mit denen Sie unbewusst qualifizierte Kandidaten davon abhalten, sich zu melden.

Lara Jagdmann und Levke Holbe sind Expertinnen für Personalmarketing und arbeiten bei d.vinci in Hamburg. Das Unternehmen entwickelt Recruiting- und Onboarding-Software. Die Expertinnen wissen: Vielen Unternehmen gehen potenzielle Mitarbeiter schon beim Formulieren der Stellenanzeige durch die Lappen. Fatal – schließlich herrscht in Deutschland Fachkräftemangel. Die Kandidaten, die sich melden, seien sich untereinander oft auch noch sehr ähnlich, weil sie beispielsweise alle derselben Altersgruppe angehören.

Wie Sie potenzielle Bewerber grundsätzlich klug adressieren

Vielen Unternehmerinnen und Unternehmern fällt es schwer, Stellenanzeigen zu formulieren, denn sie müssen sich dabei an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) halten. Es verbietet Diskriminierung – im Privaten wie im Arbeitsalltag. Im Kern geht es um sechs Merkmale, für die Menschen nicht diskriminiert werden dürfen: Geschlecht, ethnische Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexuelle Identität und Behinderung. Aber: Nicht jede Andersbehandlung ist gleich eine Diskriminierung.

Es ist möglich, gezielt bestimmte Gruppen zu adressieren, wenn diese im Team unterrepräsentiert sind. Das bedeutet, dass Unternehmer beispielsweise Bewerberinnen in Stellenanzeigen direkt ansprechen dürfen, wenn es in Ihrem Team nur wenige Frauen gibt. „Wenn Sie vielfältigere Bewerbungen erhalten möchten, können Sie Ihre Stellenausschreibungen mit ein paar einfachen Kniffen so formulieren, dass sich mehr Gruppen von Menschen angesprochen fühlen“, erklärt Levke Holbe.

Wie das konkret geht, erfahren Sie in den folgenden sechs Tipps:

Tipp 1: Fordern Sie weniger

Es gibt bei Jobausschreibungen einen deutlichen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Bewerbern: Während Männer sich häufig auch auf Stellen bewerben, bei denen sie nur einige Punkte des Profils abdecken, tendieren Frauen dazu, sich nur zu bewerben, wenn sie alle oder einen Großteil der Anforderungen erfüllen.

Um zu vermeiden, dass sich überwiegend Männer melden, reicht oft eine Umformulierung. Personalmarketing-Expertin Levke Holbe: „Für den Job nicht zwingend erforderliche Fähigkeiten können Sie mit den Wörtern „wünschenswert“ oder „idealerweise“ etwas abschwächen.“ Das reiche häufig, damit sich mehr Frauen bewerben. Außerdem empfiehlt Holbe, nur die wirklich elementaren Fähigkeiten anzugeben.

Das Gleiche gelte für erforderliche Abschlüsse: „Wenn jemand kein abgeschlossenes Informatikstudium hat, aber seit Jahren in der IT arbeitet, ist er vermutlich genauso für eine Stelle geeignet wie ein studierter Informatiker“, erklärt Holbe. In diesem Fall können Unternehmer in der Stellenausschreibung erforderliche Fähigkeiten anstelle von Studienabschlüssen auflisten.

Tipp 2: Nennen Sie Benefits

Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kleine Extras. Diese sollten Sie in einer Stellenanzeige unbedingt nennen. Dazu gehören Angebote, die eine Vereinbarkeit von Job und Familie ermöglichen, beispielsweise Homeoffice-Tage. Dadurch bewerben sich im Idealfall mehr Eltern. Um Menschen unterschiedlicher Religionen anzusprechen, sollten Unternehmer vorhandene Gebetsräume nennen.

Gerade für die jüngere Generation sei es außerdem wichtig, auf eine gesunde Work-Life-Balance hinzuweisen, erklärt Lara Jagdmann: „Die Anzahl der Urlaubstage oder zusätzlicher Urlaub an Heiligabend oder Silvester sollten Arbeitgeber auf jeden Fall in der Jobausschreibung angeben, um sich von anderen Unternehmen abzuheben.“

Tipp 3: Verwenden Sie neutrale Sprache

Laut AGG müssen Stellenanzeigen geschlechtsneutral formuliert sein. Abgesehen davon, dass dies rechtlich vorgeschrieben ist, führt es auch dazu, dass mehr Menschen sich angesprochen fühlen. Hierbei hilft der Gendergap (Mitarbeiter_in, Geschäftsführer_in), der Genderstern (Mitarbeiter*in, Geschäftsführer*in) oder eine neutrale Formulierung (Teammitglied, Geschäftsführung). Insgesamt sollten Unternehmer darauf achten, explizite männliche Bezeichnungen, wie „Könner“, „Anpacker“ oder „Macher“, zu vermeiden.

Tipp 4: Sprechen Sie bestimmte Gruppen gezielt an

Wer kaum vielfältige Bewerbungen bekommt, kann in einer Stellenanzeige darauf hinweisen, dass er sich Zuschriften von bestimmten Kandidaten wünscht. Das AGG verbietet zwar, einzelne Gruppen auszuschließen. Es ist aber erlaubt, positive Formulierungen zu wählen, um auszudrücken, dass man offen für vielfältige Kandidaten ist.

Zum Beispiel so: „Wir freuen uns über Bewerbungen aller Nationalitäten.“ Oder: „Bei gleicher Qualifikation werden schwerbehinderte Menschen bevorzugt.“ Oder auch: „In unserem Unternehmen schätzen wir Leistungen unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Behinderung oder sexueller Orientierung.“

Für Unternehmer haben diese Formulierungen häufig einen weiteren Vorteil: Laut Levke Holbe bewerben sich dadurch auch mehr Menschen, die nicht zu diesen Gruppen gehören. „Viele junge Bewerber achten darauf, ob Unternehmen inklusiv oder divers agieren. Es ist gut für das Employer Branding, Vorteile für diverse Gruppen hervorzuheben.“

Tipp 5: Zeigen Sie Ihr Team!

Wenn Sie Bilder in einer Stellenausschreibung verwenden, empfiehlt Lara Jagdmann, Fotos des Teams zu verwenden: „Zeigen Sie also am besten Menschen aus verschiedenen Altersklassen und mit unterschiedlicher Herkunft.“ Wichtig sei, dass die Fotos authentisch sind. „Verwenden Sie keine Stockfotos. Es ist viel sympathischer, wenn Bewerber schon einen Blick auf das Team werfen können“, sagt Jagdmann.

Außerdem müsse die Jobausschreibung zu weiteren öffentlichen Auftritten des Unternehmens passen: „Wenn Sie in die Stellenanzeige schreiben, dass Sie ein vielfältiges Unternehmen leiten, sollte sich das auch auf Ihrer Website und in Ihren Social-Media-Kanälen widerspiegeln.“

Tipp 6: Treffen Sie den richtigen Ton!

Je nachdem, welche Altersgruppe Sie ansprechen wollen, können Sie den Ton der Anzeige verändern: „Jüngere Bewerber unter 30 Jahren springen eher auf kollegial formulierte und kurze Ausschreibungen an“, sagt Levke Holbe. „Außerdem sollten Unternehmer sie unbedingt duzen.“ Im Gegensatz dazu ließen ältere Menschen sich lieber siezen.

Auch die Textlänge kann variieren: Jüngere Kandidaten lesen laut Holbe eher kürzere Stellenanzeigen. Ältere Bewerber hingegen auch längere.

Extra-Tipp:

Insgesamt empfiehlt Personal-Marketing-Expertin Levke Holbe, den Bewerbungsprozess so unkompliziert wie möglich zu gestalten. „Wenn man sich bei Ihnen mit einem Lebenslauf und einem Linkedin- oder Xing-Profil bewerben kann, werden Sie vermutlich viele Bewerbungen bekommen. Überlegen Sie auch, ob Bewerber ein persönliches Anschreiben verfassen müssen. Das ist für viele eine große Hürde. Wenn Sie es eh nur überfliegen, können Sie gleich darauf verzichten.“

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