impulse: Herr Hamm, viele Unternehmerinnen und Unternehmer beschäftigen sich mit dem Thema Purpose. Sie selbst finden das ungünstig und schreiben in Ihrem Buch, „Purpose“ habe häufig religiöse Züge. Wie meinen Sie das?
Ingo Hamm: Nehmen Sie das Beispiel Nachhaltigkeit. Viele Unternehmen schreiben sich das aktuell auf die Fahne und vermitteln ihren Angestellten: Egal, was euch selbst antreibt – wir laufen jetzt alle in diese Richtung, das ist unser Glaube. Sicher: Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Aber nur, weil das Streben nach mehr Nachhaltigkeit vielleicht die Tischlerei-Inhaberin selbst antreibt, muss das nicht für den Handwerker in der Produktion gelten.
Dem Team auf diese Weise einen Sinn verordnen zu wollen, ist reine Propaganda. Und sorgt nicht dafür, dass Angestellte ihre Arbeit als sinnhaft erleben.
Als Chefin sollte ich mich also nicht um Sinn bei der Arbeit kümmern?
Doch unbedingt! Empfinden wir unser Tun als sinnvoll, erfüllt das menschliche Grundbedürfnisse – und kann Angestellte damit glücklich machen. Und glückliche Menschen? Arbeiten motivierter und haben mehr Erfolg. Wichtig ist: Sie müssen Sinnhaftigkeit stets auf das konkrete Tun beziehen, auf das, was Menschen mit ihren Händen und ihrem Kopf schaffen. Denn Sinn bei der Arbeit zu erfahren ist gleichbedeutend damit, sich als selbstwirksam zu erleben.
Das klingt ein wenig abstrakt …
Selbstwirksamkeit bedeutet: Ich kann bei der Arbeit meine persönlichen Neigungen, Kompetenzen und Stärken anwenden. Und ich sehe, was ich damit schaffe. Das ist es, was Menschen antreibt – nicht ein Corporate Purpose. Den können Sie sich, nach innen mit Blick auf die Mitarbeitenden, schenken.
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Wie merke ich denn, ob meine Angestellten ihre Arbeit sinnvoll finden?
Um das überhaupt bemerken zu können, müssen Sie sie gut kennen. Sie müssen sich also für Ihre Teammitglieder interessieren – und Zeit investieren, um zu erfahren, wofür diese brennen.
Aber ich kann doch als Chefin nicht mit allen befreundet sein …
Es geht hier nicht um den Einzug des Privaten. Sondern darum, die Menschen hinter den Mitarbeitenden wahrzunehmen. Chefs und Chefinnen müssen die berufsbezogenen Kompetenzen ihrer Teammitglieder kennen, um diese fördern zu können – und damit sinnhaftes Arbeiten. Dann gilt es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass alle ihre Stärken und Fähigkeiten im Arbeitsumfeld konkret anwenden können.
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