Servant Leadership
Was Unternehmer wirklich erfolgreich macht

Meist werden Unternehmer als Einzelkämpfer wahrgenommen. Das ist ein Fehler, meint impulse-Verleger Nikolaus Förster: Wer auf Dauer erfolgreich sein will, sollte sich zurücknehmen - und ein starkes Team aufbauen.

4. Oktober 2020, 10:00 Uhr, von Nikolaus Förster, impulse-Herausgeber und -Verleger

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Wer als Chef erfolgreich sein will, muss sich erstmal zurücknehmen
© Joseph Clark / DigitalVision / Getty Images

Unternehmer sind Kämpfer. Sie sind ständiger Gefahr ausgesetzt, geraten in bedrohliche Situationen, müssen immer wieder Hindernisse überwinden und Rückschläge wegstecken. Es sind Überlebenskünstler – so wie der schiffbrüchige Robinson Crusoe, der 1659 auf eine abgelegene Insel gespült wurde und sich dort jahrzehntelang durchschlug.

Daniel Defoes berühmter Romanheld diente Herausgeber Johannes Gross 1980 in der impulse-Erstausgabe als wichtige Metapher. Ständig kämpfen müssen und auf sich selbst gestellt sein – Robinson Crusoe sei das „Urbild des Selbstständigen“. Auch wenn Unternehmer heute nicht mehr „mit wilden Tieren“ und der „Bösartigkeit der Natur“ kämpften, so handelten sie dennoch „jeden Tag mit einem Umfeld, das ihnen die Arbeit sauer macht“ – in Kämpfen mit Wettbewerbern, Bürokraten, Bankern, Mitarbeitern oder Familienangehörigen.

Es geht um Entschlossenheit

Unternehmer als Kämpfer: Im Selbstverständnis und der öffentlichen Wahrnehmung spielt dieses Bild bis heute eine wichtige Rolle. Die amerikanische Psychologin Angelika Duckworth hat zuletzt den Begriff „grit“ geprägt: Es gehe um Entschlossenheit. Langfristig durchsetzen werde sich, wer Leidenschaft und Ausdauer („passion and perserverance“) beweise.

Neu ist dieser Gedanke nicht. 1760 formulierte der irische Schriftsteller Oliver Goldsmith: „Unser größter Ruhm besteht nicht darin, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen.“ Und dem britischen Kriegspremier Winston Churchill wird – auch ohne Quelle – seit vielen Jahren die Sentenz zugesprochen: „Erfolg bedeutet, von einer Niederlage zur nächsten Niederlage zu taumeln, ohne dabei seinen Enthusiasmus zu verlieren.“

Ein Team, das sehr viel mehr leisten kann als man selbst

So wichtig das Kämpferische auch sein mag, es verdeckt den Blick auf das, was für nachhaltigen Erfolg unabdingbar ist: die Fähigkeit, andere Menschen für Ideen zu begeistern, gemeinsame Visionen zu entwerfen und „abhängig Beschäftigte“ zu einem Team zusammenzuschmieden, das sehr viel mehr leisten kann als man selbst. Hier kommt ein gegenläufiger Aspekt ins Spiel: das Dienen. Wenn ich will, dass mein Unternehmen langfristig Erfolg hat und überlebt, muss ich alles dafür tun, ein starkes Team aufzubauen und es zu fördern.

Robert K. Greenleaf, der 38 Jahre lang für den Telekommunikationskonzern AT&T gearbeitet hatte, bevor er sich selbstständig machte, prägte dafür den Begriff „Servant Leadership“. Inspiriert wurde der Amerikaner dabei von Hermann Hesses Erzählung „Die Morgenlandfahrt“, die ihn sehr beeindruckte: Geschildert wird darin die mythische Reise einer Künstlergruppe, die sich einem „Bund“ angeschlossen hat und von einem Diener namens Leo begleitet wird.

Eines Tages fragt sich der Erzähler, warum literarische Figuren „ohne Ausnahme viel lebendiger, schöner, froher und gewissermaßen richtiger und wirklicher als die Dichter und Schöpfer selber“ seien. „Bei den Müttern ist es auch so“, antwortet Leo. „Wenn sie die Kinder geboren und ihnen ihre Milch und ihre Schönheit und Kraft mitgegeben haben, dann werden sie selber unscheinbar, und es fragt niemand mehr nach ihnen.“ Dies sei das „Gesetz vom Dienen“: „Was lange leben will, muss dienen. Was aber herrschen will, das lebt nicht lange.“

Nicht an der Spitze zu stehen, sondern anderen zu dienen, sei die zentrale Motivation großer Führungspersönlichkeiten, ist Greenleaf überzeugt. Wahre Führungskräfte treibe nicht Machtwille oder materieller Besitz an. Sie legitimierten sich dadurch, dass andere ihnen vertrauten. Ihre Aufgabe bestehe vor allem darin, das Team zu fördern. Ob dies gelinge, lasse sich daran erkennen, ob sich die Mitarbeiter persönlich weiterentwickelten: „Werden sie dabei gesünder, klüger, freier, autonomer, und wird es wahrscheinlicher, dass auch sie selbst zu Dienern werden?“

Vom Kämpfen zum Dienen

Vom Kämpfen zum Dienen – es ist auch der Schritt von der Selbstständigkeit zum Unternehmertum, vom Überlebenskampf zur Stiftung einer Gemeinschaft. So gut es einem auch gelingen mag, sich allein durchzukämpfen, wenn ein Unternehmen eine Zukunft haben soll, die nicht allein am Schicksal des Gründers oder der Chefin hängt, dann bedarf es eines starken Teams, das ein gemeinsames Ziel verfolgt und damit die Zukunft sichert.

Gerade die Digitalisierung, die neue Technologien hervorgebracht, Kommunikation, Vertrieb und ganze Geschäftsmodelle völlig verändert hat, verschärft die Anforderungen weiter. Die Zeit, als man sich durch hohe Markteintrittsbarrieren sicher fühlen konnte, sind vorbei. Jeden Tag können Angreifer auftreten.

Mit Wettbewerb – und Überlebenskampf – wird Unternehmertum immer zu tun haben. Robinson aber hätte heute keine Chance mehr. Behaupten werden sich Teams.