Psychologische Sicherheit
Angst ist ein Erfolgskiller – so schalten Sie ihn aus

Was unterscheidet Teams, die Topleistungen bringen, von solchen, in denen viel schiefläuft? Die Forschung zeigt: Es kommt nicht nur darauf an, wer im Team ist – sondern auf einen anderen Faktor.

26. März 2024, 08:47 Uhr, Von Kim Torster

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Psychologische Sicherheit
© the_burtons/Moment/Getty Images

Man kennt das vom Fußball: 11 Topspieler machen noch lange kein Topteam. Die Organisationsforschung hat in den letzten Jahren mehrfach gezeigt: Neben den Fähigkeiten und der Einstellung der einzelnen Teammitglieder ist vor allem eines entscheidend: psychologische Sicherheit.

Das Konzept geht auf die Harvard-Professorin Amy Edmondson zurück. Edmondson definiert psychologische Sicherheit als „Überzeugung, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen“. Es geht darum, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der Teammitglieder sich nicht vor ihren Vorgesetzten fürchten, in der Aufrichtigkeit nicht nur akzeptiert, sondern geschätzt wird, und in der Vertrauen und Respekt Hand in Hand gehen.

Grundlage von alldem ist die Erkenntnis, dass Angst kein guter Motivator ist. Besonders dann nicht, wenn Menschen Arbeit verrichten, in der sie innovativ und lösungsorientiert handeln müssen – was auf jede Art von Tätigkeit zutrifft, die über das routinemäßige Wiederholen von Handgriffen hinausgeht. Das bestätigen auch Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft: Angst verbraucht physiologische Ressourcen; damit bleibt weniger Energie für Lernen und Zusammenarbeit.

Wie aber schafft man in einem Team psychologische Sicherheit? 6 Tipps für Führungskräfte:

1. Erklären Sie, warum jeder Ideen und Meinungen beitragen muss

US-Wissenschaftlerin Amy Edmondson empfiehlt, immer wieder klarzumachen, wie komplex die Arbeit im Team ist und mit wie vielen Unwägbarkeiten das Unternehmen konfrontiert ist. Allen müsse klar sein, wie schnell etwas schieflaufen kann – und welche Folgen das hat.

Führungskräfte sollten ihrem Team bewusst machen, welchen Wert es daher hat, über Fehler zu sprechen und was auf dem Spiel steht, wenn Beobachtungen, Meinungen und Ideen nicht geäußert werden. Sie empfiehlt Sätze wie: „Das wird echt schwierig, denn es gibt viel Unsicherheit, und niemand hat das schon mal gemacht. Also sind alle Ideen willkommen.“ Oder: „Dieses Projekt ist wirklich wichtig für unsere Kunden. Wir werden alle voneinander abhängig sein, damit wir das hinbekommen.“

Damit werde etwa klar, dass niemand allein das Projekt zum Erfolg führen kann und ein guter Austausch nötig ist.

2. Nehmen Sie sich als Führungskraft zurück

Zu dominante Führungskräfte können auf ihre Mitarbeiter schnell einschüchternd wirken. Weil Chefinnen und Chefs aber darauf angewiesen sind, stetig Informationen von ihrem Team zu bekommen, sollten sie genau das verhindern. Wie Edmondson beschreibt, sind gute Chefs sogar eher demütig: Wer zugibt, selbst nicht alles zu wissen, ermutigt auch seine Mitarbeiter, Unwissen zuzugeben.

3. Schlüpfen Sie in die Rolle des Moderators 

Jan Hagen ist Professor an der privaten Hochschule ESMT in Berlin und auf Fehlermanagement spezialisiert. Er rät Führungskräften – zum Beispiel während Feedbackrunden –, eher die Rolle des Moderators zu übernehmen und eigene Anmerkungen erst ganz zum Schluss zu äußern. Eine gute Moderation sorgt dafür, dass sich alle gehört fühlen. Dafür kann der Moderator etwa das Gesagte noch mal zusammenfassen und dafür sorgen, dass jeder aussprechen darf.

4. Seien Sie neugierig 

Führungskräfte sollten viele Fragen stellen. Fragen führen dazu, dass Teammitglieder regelmäßig ihre Stimme erheben, Ideen einbringen, Meinungen äußern, Probleme ansprechen. Oft lohnt es sich, zurückhaltende Menschen direkt anzusprechen: „Martin, du hast noch nichts gesagt, aber mir ist es wichtig, deine Einschätzung zu hören.“

5. Fordern Sie Kritik ein und wertschätzen Sie kritische Beiträge

Um eine Fehlerkultur zu etablieren, könne es hilfreich sein, zunächst feste und regelmäßige Termine (etwa am Ende jedes Tages) für Feedbackgespräche in der Gruppe einzurichten, empfiehlt Jan Hagen. Dabei wird Aufrichtigkeit zur Bedingung gemacht: Vor allem die Führungskräfte müssen vermitteln, dass sie ehrliches Feedback schätzen und mit Gelassenheit aushalten; Mitarbeiter wiederum müssen lernen, dass es ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Verlässlichkeit zeigt, wenn sie Kritik äußern oder eigene Fehler ansprechen.

Gibt es scheinbar keine Kritik oder Fehler zu berichten, rät Amy Edmondson, folgende Frage zu stellen: „War alles so, wie Sie es gern hätten?“ Dies zeige Wertschätzung für die Ansicht der Teammitglieder und appelliere an das gemeinsame Ziel: das Schlechte zulassen, um das Gute zu finden.

6. Schaffen Sie Raum für (verrückte) Ideen

Führungskräfte sollten klarmachen, in welchem Status die Ideen sein sollten, die Teammitglieder einbringen. Sollten sie schon sorgfältig durchdacht oder getestet sein? Oder sind auch ganz wilde Ideen willkommen? Wenn Teammitglieder und Führungskräfte Ideen kritisieren, sollte der Kontext immer sein: Auch wenn deine Idee Schwächen hat – es ist super, dass du sie einbringst. Das ist das, was wir brauchen.“

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