Hierarchiefreies Team
In 6 Schritten zu selbstorganisierten Mitarbeitern

Schnellere Entscheidungen, eigenverantwortliche Mitarbeiter und ein Chef, der im Tagesgeschäft überflüssig ist: Wer so arbeiten möchte, muss Verantwortung abgeben und Hierarchien auflösen. So gelingt die Transformation.

25. Mai 2021, 05:00 Uhr, von Lisa Büntemeyer, Chefin vom Dienst Digital

Kommentieren
Hierarchiefreie Teams können erfolgreich sein - wenn man sich an diese 6 Schritte hält.
© PM Images / Getty Images

Schritt 1: Transformationsreife prüfen

Hierarchien abbauen und agiler arbeiten, also schneller auf Veränderungen reagieren können: Das klappt nicht von heute auf morgen, sagt Michaela Moser, Coach und Professorin für Personalmanagement an der Internationalen Hochschule IUBH und Autorin des Buchs „Hierarchielos führen“. Es ist vielmehr ein langer Prozess, in dem zunächst ein agiles Mindset aufgebaut werden muss. Unternehmen, die seit 30 Jahren streng hierarchisch arbeiten, müssen wesentlich mehr Zeit für eine Transformation einplanen als Firmen mit flachen Hierarchien. Moser rät daher: „Bevor Unternehmer eine Transformation anstoßen, sollten Sie den Status quo prüfen: Wie hierarchisch sind wir? Herrscht hier schon ein agiles Mindset?“

Schritt 2: Bewusst entscheiden

Hierarchien abzubauen ist in den vergangenen Jahren zum Trend geworden. Ein Trend allein darf aber niemals der Grund für einen Change-Prozess sein, warnt Moser: „Auf einen Hype aufzuspringen, wird eher schiefgehen.“ Es müsse vielmehr einen dringlichen Grund für solch einen Kulturwandel geben. Etwa Mitarbeiter, die vor lauter Vorgaben kaum noch in der Lage sind, eigenständige Entscheidungen zu treffen – was wiederum die Führungskräfte überlastet.

Wichtig: Wer einen Change-Prozess anstößt, muss dahinterstehen und bereit sein, Verantwortung abzugeben. Daran scheitert es Mosers Erfahrung nach häufig: „Besonders in großen Unternehmen wollen Geschäftsführer doch das letzte Wort haben.“ Verkünden Chefs die Entscheidung, müssen sie dem Team die Gründe genau erklären. Sehen Mitarbeiter den Sinn nicht, halten sie die Änderungen für eine Modeerscheinung, so Moser.

Schritt 3: Die Transformation vorbereiten

Ein Standardmodell, das jedes Unternehmen einfach überstülpen kann, gibt es nicht. Aber sehr viele Modelle, Methoden, Theorien und Vorreiter, an denen Unternehmer sich orientieren können: etwa Holokratie, Soziokratie, agiles Arbeiten. Zunächst gilt es also, sich damit zu beschäftigen, was zum eigenen Unternehmen passt. Hilfreich kann dabei sein, sich von einem externen Berater begleiten zu lassen. Moser empfiehlt Chefs zudem, zunächst in kleinem Rahmen zu testen, welche Veränderungen sinnvoll sind. Dafür können sie kleine agile Teams gründen oder agile Methoden einführen und so Vor- und Nachteile kennenlernen.

Mehr zum Thema agiles Arbeiten: Agile Techniken: 3 simple agile Techniken, die Ihr Team wirklich voranbringen

Schritt 4: Mitarbeiter vorbereiten

Gerade noch Abteilungsleiter, nun plötzlich auf Augenhöhe arbeiten und andere entscheiden lassen. Für Führungskräfte eine große Veränderung. „Man muss die Führungskultur langsam umstellen. Sonst wollen die Führungskräfte irgendwann weg, weil sie ihre Position in Gefahr sehen“, sagt Moser.

Ebenso schwierig kann es für Mitarbeiter sein, die bislang nur auf Anweisung gearbeitet haben. Moser: „Das kann Mitarbeiter verunsichern und überfordern. Sie haben jahrelang Befehle ausgeführt und dürfen plötzlich ihre Meinung sagen.“ Daher sei es wichtig, viel mit Mitarbeitern zu reden, sie langsam dahin zu führen, eigenständige Entscheidungen zu treffen. „Unternehmer müssen ihr Team entwickeln. Man darf nicht plötzlich sagen: Jetzt entscheidet ihr selber,“ sagt die Professorin.

Schritt 5: Transparenz schaffen

Chefs müssen transparent kommunizieren, genau erklären, warum sie was ändern wollen. Zudem müssen sie bereit sein, Zahlen transparent zu machen. Denn Mitarbeiter können kaum eigenverantwortlich und unternehmerisch handeln, wenn sie nicht mal den Umsatz kennen. Auch ein ausgeprägtes Wissensmanagement ist laut Moser wichtig: Mitarbeiter sollten Wissen untereinander austauschen, um andere Rollen und Firmenbereiche besser zu verstehen. Neuigkeiten oder Informationen rund um den Betrieb sollten stets allen zugänglich sein.

Schritt 6: Prozess anpassen

Bei einem Kulturwandel kann es vorkommen, dass Prozesse, Methoden oder Strukturen sich als chaotisch erweisen und nicht funktionieren. Manchmal können Teams das durch kleine Änderungen beheben. Klappt das nicht, sollten Unternehmer nicht am neuen Modell klammern. „Agilität ist kein Allheilmittel“, sagt Moser. Wenn es etwa bei Standardprozessen erforderlich ist, sollten Chefs sich im Zweifelsfall trauen, Hierarchien in Teilen der Firma wieder einzuführen.