Generation Z führen
„Ginge es nach den Jüngeren, würde ich mit allen täglich sprechen“

Angehörige der Generation Z zu führen ist für viele herausfordernd: Wie viel Feedback brauchen sie? Welche Ansprache schafft eine gute Atmosphäre? Unternehmerin Kerstin Hochmüller hat Antworten gefunden.

21. März 2023, 07:21 Uhr, von Kathrin Halfwassen, Redakteurin

Generation Z führen
Die Generation Z führen: Für Kerstin Hochmüller (links) und Andreas Schiemann (vorne), CEOs der Marantec Group, bedeutet das vor allem, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.
© Martin Brockhoff für impulse

Schnell spricht Kerstin Hochmüller, und dabei zugleich so klar, ruhig und humorvoll – man möchte die Geschäftsführerin der Marantec Group nach dem Interview fragen, wer ihre Rhetoriktrainerin ist. Dass ausgerechnet sie sich im Alltag viele Gedanken um ihr Kommunikationsverhalten macht, liegt an den Jüngeren im Unternehmen. Denn für die Angehörigen der Generationen Y und Z spricht sie als Chefin – viel zu wenig. „Ich kommuniziere mehr als je zuvor. Aber ginge es nach den Jüngeren, würde ich täglich mit allen sprechen. Und so klafft zwischen dem, was sie sich an Kommunikation wünschen, und dem, was ich leisten kann, eine ziemliche Lücke.“

Im Alltag nutzt Hochmüller fünf Strategien, um die Generation Z klug zu führen. Und die Lücke nicht zu groß werden zu lassen.

Generation Z motivieren mit Gesprächen auf Augenhöhe

„Die größte Herausforderung für mich ist, die jungen Menschen langfristig zu motivieren“, sagt die 55-Jährige. „Wie gut das klappt, hat viel mit dem Arbeitsumfeld zu tun, mit dem Austausch.“ Dabei gehe es um mehr als ein schickes Büro und nette Kollegen: „Die Jüngeren sind viel persönlicher unterwegs. Für sie sind alle gleich, und sie finden es normal, dass man sich als Chefin Zeit nimmt für Gespräche auf Augenhöhe. Daran muss man sich als Führungskraft anpassen.“

Marantec ist ein Hersteller von Antriebs- und Steuerungssystemen für Tore aller Art. Zusammen mit der Holding OWF beschäftigt das Unternehmen am Hauptstandort Marienfeld in Ostwestfalen 161 Angestellte. 106 arbeiten in der Verwaltung, von diesen ist knapp ein Drittel jünger als 35. Mit den Jüngeren kommuniziert Hochmüller möglichst mindestens einmal pro Woche in einem extra anberaumten Gespräch, phasenweise auch häufiger. Die Älteren seien deutlich genügsamer – oder meldeten sich selbst.

Die zweite Führungsebene hält es wie Hochmüller: mit den Jüngeren reden, so oft es geht. Und worüber? „Es läuft viel mehr über die Beziehungsebene als früher. Die Jungen erfragen weniger Infos, sie möchten Feedback, wollen wissen, wie gut sie etwas gemacht haben. Oder nur sagen, wie es ihnen geht, ob sie sich mit einer Aufgabe wohlfühlen.“

Persönlicher kommunizieren – auch mal mit Herz-Emojis

Neben der Frequenz hat die Marantec-Chefin auch die Art der Kommunikation angepasst. So erzählt sie heute persönlicher, spricht etwa über eigene Schwächen wie die, früher nicht gern vor vielen Menschen gesprochen zu haben. Und sie kommuniziert auch über andere Kanäle, etwa WhatsApp. „Anfangs habe ich mich schwergetan, mit einem Herzchen-Emoji auf Nachrichten zu reagieren“, erinnert sich Hochmüller. Heute ist es für sie selbstverständlich.

Wie auch, selbst zu posten und etwa einer Kollegin ein Bild von dem Buch zu schicken, das sie liest – und von dem sie denkt, es könnte die Kollegin interessieren. „Die Jüngeren sind gewohnt, dass man mit ihnen umgeht wie mit guten Bekannten“, fasst Hochmüller den Austausch zusammen. Das zeige sich konkret etwa in der Anrede. Vor zehn Jahren hätten Nachrichten an sie begonnen mit „Sehr geehrte Frau Hochmüller“. Dann mit „Liebe Frau Hochmüller“. Heute heiße es einfach „Hallo Kerstin“.

Höhere Sensibilität der Jüngeren beachten

Es sei wichtig, die eigene Art zu sprechen und zu schreiben, immer wieder zu reflektieren. „Ich habe mal eine Nachricht im Chat mit einem Ausrufezeichen beendet. Kollegen, die seit 30 Jahren hier arbeiten, hätten das nicht mal bemerkt. Doch ein junger Mitarbeiter fragte direkt, ob er etwas falsch gemacht hätte“, erinnert sich Hochmüller.

Ihr erster Impuls damals: „Was soll das denn?“ Dann aber überlegte sie, warum die Jüngeren oft so sensibel sind. Und erklärte es sich mit der Erziehung. „Kinder wachsen heute mit dem Selbstverständnis auf, ihre Meinung zu sagen, zu äußern, was sie wollen und wie es ihnen geht“, sagt die Unternehmerin.

Sich darauf einzustellen sei mitunter schwer, aber ohne Alternative. „In dem konkreten Fall habe ich dann auch gemerkt: Setze ich ein Ausrufezeichen, ist die Lage tatsächlich ernst. Das war schon witzig.“

Strukturierter kommunizieren – gern über digitale Tools

Auch die Kommunikation von Aufgaben ändert sich laut Hochmüller: „Sie muss strukturiert ablaufen. Das hat mich überrascht“. Jüngere wollten weniger Absprachen auf Zuruf, eher über Tools die Arbeit organisieren. Und täglich kurze Meetings abhalten, um sich auszutauschen, wie ein Projekt läuft.

Bei Marantec ist das kein Problem: Als Hochmüller 2013 in die Geschäftsführung von Ehemann und Firmengründer Michael Hörmann einstieg, gestaltete sie den Betrieb Stück für Stück in eine offene Organisation um, die viel mit Startups kooperiert. „Das kommt den Jungen entgegen: Sie wollen oft schnell Verantwortung übernehmen. Und so etwas geht bei Projektarbeit natürlich sehr viel einfacher als in streng hierarchisch organisierten Firmen.“

Also alles sonnig bei Marantec? Nicht ganz: „Vor lauter Agilität und Tools verlieren viele öfter mal das Ziel aus dem Blick. Also die Frage: Was wollen wir hier eigentlich erreichen?“, sagt die Firmenchefin. Vielen gehe es vor allem um den Spaß an der Arbeit. „Dann gilt es, klar die Erwartungen als Chefin zu formulieren. Und deutlich zu sagen: Das und das ist zu tun, das ist jetzt dein Job.“

Führungs- und Kommunikationsaufgaben hoch priorisieren

Etwa 80 Prozent ihrer Zeit, schätzt Hochmüller, verbringt sie mittlerweile mit Gesprächen und Meetings – anders als früher arbeitet sie deshalb kaum noch im Tagesgeschäft mit. Eine Ausnahme: Vorstellungsgespräche. Die führt sie häufig noch selbst, damit ganz sicher kein Bewerber durchs Raster fällt. „Wir haben Marantec inzwischen gut an die geänderten Ansprüche angepasst. Es gibt etwa flexible Arbeitszeiten, im nächsten Schritt versuchen wir, dies auch in der Produktion zu ermöglichen“, sagt Hochmüller.

Auch auf den Zeitgeist habe sich das Unternehmen eingestellt. „Heute findet es kaum noch jemand komisch, wenn sich ein Bewerber mit einem Cappy, Hoody oder Skateboard ins Bewerbungsgespräch setzt. Denn genau den Skateboarder brauchen wir vielleicht – weil er gute, frische Ideen mitbringt.“