Gehaltsforderung ablehnen
Gehaltserhöhungen abblocken – ohne zu demotivieren? Ein Leitfaden

Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter will mehr Gehalt, doch Ihr Unternehmen kann gerade nicht mehr bezahlen? Wie Sie Forderungen ablehnen, ohne Angestellte zu demotivieren – oder gar zu verlieren.

22. April 2024, 13:22 Uhr, von Christoph Henn

Gehaltsforderung ablehnen
© Marlene Gollasch für impulse

Seit 25 Jahren coacht und berät Ute ­Waßmuth aus Vilsbiburg bei Landshut Führungskräfte. Aber erst in der jün­geren Vergangenheit entwickeln sich für ihre Klienten Gehaltsgespräche mit Mit­arbeitenden zu einer immer größeren Herausforderung. „Die meisten Unternehmer und Führungskräfte stammen aus einer Zeit, in der sich ein Gehalt an der jeweiligen Leistung orientierte“, sagt die Expertin. „Wegen des Mangels an Arbeitskräften haben es die Unternehmen nun aber oft mit Arbeitnehmern zu tun, die allein dafür mehr Geld fordern, dass sie da sind oder da bleiben.“

Höhere Ansprüche

Mitarbeitende wissen nicht nur um den Fachkräftemangel. Sie wollen auch mehr Geld, weil vieles teurer geworden ist. Dabei orientieren sie sich an medienwirksam durchgeführten Arbeitskämpfen und hohen Tarifabschlüssen in verschiedenen Branchen. Nur: Viele Unternehmen können sich höhere Löhne oft nicht leisten. Oder aber die Leistung einer Mitarbeiterin rechtfertigt einfach keine Gehaltserhöhung.

Wie aber können Chefs und Chefinnen den Wunsch nach mehr Geld ablehnen, ohne das Teammitglied zu demotivieren oder ganz zu verlieren? Wie können sich Führungskräfte auf solche schwierigen Gespräche vorbereiten und die Absage wertschätzend formulieren?

Schritt 1: Sich Zeit verschaffen

„Viele Führungskräfte vernachlässigen die ­Vorbereitung auf ein Gehaltsgespräch, häufig aus Zeitmangel“, sagt Conrad Pramböck aus Wien, der seit mehr als 25 Jahren Firmen im deutschsprachigen Raum in Einkommensfragen berät. „Dabei ist sie das entscheidende Element“, sagt der Gehaltsexperte. Er rät deshalb davon ab, sofort auf Gehaltsforderungen von Mitarbeitenden einzugehen.

Stattdessen empfiehlt er eine Antwort wie diese: „Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie mehr Gehalt wollen. Bevor wir darüber sprechen, möchte ich mir einen Überblick verschaffen. Ich werde in Kürze einen Termin vorschlagen.“ Das nimmt Druck aus der Situation und ver­hindert, überrumpelt zu werden, was zu ungewollten Zugeständnissen führen kann. Zugleich gewinnt man Zeit zur Vorbereitung.

Schritt 2: Sich gründlich vorbereiten

Im Mittelpunkt dieser Vorbereitung sollte das jeweilige Teammitglied stehen. „In einem Gehaltsgespräch sollte der Chef die individuellen Motive kennen“, sagt Ute Waßmuth. Wenn die Mitarbeiterin beispielsweise nicht an Weiterentwicklung oder Karriere interessiert ist, ­bringe es auch nichts, das im Gehaltsgespräch zu thematisieren. Die Motive, Interessen und Bedürfnisse lassen sich aber selten in nur ­einem Gespräch identifizieren. „Wer regel­mäßig kürzere Einzelgespräche mit seinen Mitarbeitern führt, was ich dringend empfehle, weiß, was sie antreibt“, sagt Ute Waßmuth.

Conrad Pramböck rät, sich auch Zahlen und Fakten vorab anzusehen: Wie lange ist die Mitarbeiterin schon im Unternehmen? Wie waren bisher ihre Leistungen? Wie steht die Mitarbeiterin innerhalb des Gehaltsgefüges?

Zudem kann es hilfreich sein, sich vor dem Gehaltsgespräch bewusst zu machen, was die Gehaltserhöhung für die Firma finanziell bedeuten würde – nicht nur mit Blick auf den ­einzelnen Mitarbeitenden. Pramböck empfiehlt dafür ein Gedankenspiel, das er „Kaffeemaschinentest“ nennt: „Gehen Sie davon aus, dass Kollegen sich in der Kaffeeküche oder anderswo im Unternehmen erzählen, wenn jemand eine Gehaltserhöhung durchgesetzt hat.“ Im schlimmsten Fall kommen dann bald alle, die davon gehört haben, mit einer ähnlichen Forderung. „Rechnen Sie einfach aus, was das bei 20 oder 30 Angestellten kosten würde.“

Die Experten
Ute ­Waßmuth ist Führungskräfte-Coachin aus Vilsbiburg bei Landshut. Ihr Schwerpunkt: strategische Personalentwicklung.
Conrad Pramböck ist Unternehmensberater aus Wien. Sein Schwerpunkt: Gehalts- und Karrierefragen.
 

Schritt 3: Grenzen vorab definieren

Auch wenn man fest vorhat, der Mitarbeiterin nicht mehr Geld zu bezahlen: Pramböck empfiehlt, dennoch nach einem Grün-, Gelb-, Rot-System die Grenzen einer Gehaltsveränderung festzulegen. Grün könnte ein eher symbolischer Wert sein, beispielsweise 10 oder 20 Euro mehr im Monat. Auch wenn Mitarbeitende kaum so niedrige Gehaltsforderungen stellen, sollten Vorgesetzte einen Betrag festlegen, den das Unternehmen problemlos verkraften kann.

Im gelben Bereich sind Forderungen formuliert, bei denen es noch realistisch ist, sich darauf zu einigen, das können auch nicht mone­täre Leistungen sein (siehe unten: „Alternativen anbieten“).

Der rote Bereich hingegen markiert eine nicht verhandelbare Grenze. „Es erleichtert die Situation, wenn man geistig darauf ­vorbereitet ist“, sagt Pramböck. Und es schützt davor, ungewollt Zugeständnisse zu machen, etwa wenn das Gegenüber ein Konkurrenz­angebot nennt und mit einer Kündigung droht.

Schritt 4: Wertschätzung zeigen

Im Gespräch selbst sollte der Mensch im Vordergrund stehen – und nicht die Zahlen. Pramböck empfiehlt, das Gespräch mit wertschätzenden Worten einzuleiten, in etwa so: „Wir sind sehr froh, dass Sie bei uns arbeiten, denn Sie leisten großartige Arbeit. Deshalb ist es uns wichtig, dass Sie zufrieden sind.“

Zur Wertschätzung gehört es für Ute ­Waßmuth auch, aktiv zuzuhören und Nachfragen zu stellen. „So finden Sie auch leichter heraus, worum es dem Mitarbeiter eigentlich geht“, sagt sie. Oft sei das keine bestimmte Summe, sondern eine diffuse, durch Medien verstärkte Einschätzung, dass andere im Land absahnen, während man selbst zu wenig ­bekommt. Oder dass die eigene Arbeit nicht ­genug anerkannt wird. Sie empfiehlt, nicht zu widersprechen, Dinge zu notieren, kurzum: Das Gegenüber sollte Dampf ablassen können.

Die Expertin rät, danach die Gehaltsfrage ­gezielt auszuklammern und nach anderen ­Aspekten zu fragen: Welche Rahmenbedingungen hältst du bei der Arbeit für verbesserungswürdig? Welche inhaltlichen Ziele sind dir im Job wichtig? Aber auch: Was denkst du, würde dir fehlen, wenn du nicht mehr hier arbeiten würdest? „Damit zeigen Sie echtes Interesse und öffnen Türen jenseits der Gehaltserhöhung“, sagt Waßmuth.

Schritt 5: Klartext sprechen

Was aber, wenn die Angestellte auf mehr Geld beharrt? Dann rät Conrad Pramböck, Klartext zu sprechen, anstatt zu diskutieren – in etwa so: „Ihre Gehaltsforderung ist bei uns in der ­aktuellen Lage nicht machbar. Das kann ich ­Ihnen unter keinen Umständen anbieten.“

Zahlen können dabei helfen, klare Absagen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nachvollziehbar zu machen. Ute Waßmuth rät dazu, auf einer Seite kompakt und transparent dar­zulegen, wie verantwortungsbewusst das Unternehmen in die Zukunft des gesamten Teams investiert.

So wird deutlich, was die Firma an gestiegenen Kosten zu tragen hat, welche ­Neuinvestitionen etwa in zusätzliches Personal, den Maschinenpark oder effiziente IT-­Lösungen geleistet wurden. „Ich würde dabei das ‚Wir‘ betonen“, sagt sie, nach dem Motto: Zuerst haben wir über dich gesprochen, jetzt geht es darum, was wir hier im Unternehmen gemeinsam verdienen, aber auch ausgeben, um unsere Zukunft und unsere Jobs zu sichern.

Conrad Pramböck rät ebenfalls dazu, offen zu kommunizieren, wenn das Unternehmen nicht mehr Geld ausgeben kann. Er warnt aber vor zu viel Transparenz, wenn die Zahlen sehr schlecht sind: „Damit riskieren Sie, dass Mit­arbeiter sofort einen neuen Job suchen.“

Ein weiteres No-Go: Wenn Chefinnen und Chefs in Teammeetings oder in den Medien die Erfolge des Unternehmens hervorheben, aber im Gehaltsgespräch mit Mitarbeitenden finanzielle Not beklagen. Noch schlimmer: Die Führungskraft hat sich kurz vorm Gespräch was gegönnt, etwa einen neuen Sportwagen.

Schritt 6: Alternativen anbieten

Auf ein klares „Nein“ zur Gehaltserhöhung ­sollte ein „Aber“ folgen, sagt Pramböck: „Was ich Ihnen anbieten kann, ist Folgendes: …“ Nun kann die Chefin eine oder mehrere Alternativen anbieten, die nicht unmittelbar mehr Geld kosten. Beispiele sind: weniger Arbeitsstunden bei gleichem Gehalt, ein weiterer Urlaubstag, flexiblere Arbeitszeiten, mehr Zeit im Home­office.

Unternehmerinnen und Unternehmer könnten dem Teammitglied auch eine beruf­liche Weiterentwicklung anbieten, etwa eine Fortbildung, neue Aufgaben oder eine neue Rolle im Unternehmen. Davon profitieren sowohl Mitarbeitende als auch die Firma.

Schritt 7: Perspektiven aufzeigen

Aus den letztgenannten Angeboten wiederum ­lassen sich Perspektiven ableiten, wie die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter in absehbarer Zeit doch noch mehr Geld verdienen kann. „Wer sich weiterbildet, qualifiziert sich für ­anspruchsvollere Aufgaben und damit für ein höheres Gehalt“, sagt Conrad Pramböck.

Wer keine Entwicklungsmöglichkeiten ­bieten kann, sollte dennoch versuchen, die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter mit einer Perspektive aus dem Gespräch zu verabschieden. Pramböck empfiehlt eine Formulierung wie diese: „Unter den derzeitigen Umständen kann ich keine Zusagen machen. Aber ich kann zusagen, dass wir uns in sechs Monaten erneut zum Thema zusammensetzen.“

Denn den Experten zufolge ist es fundamental, dass Angestellte sich nicht über den Tisch ­gezogen fühlen: „Das Gehaltsgespräch bildet die Grundlage dafür, dass auch in Zukunft eine gute Zusammenarbeit möglich ist“, sagt Conrad Pramböck.