Cookie-Licking
Lecken Sie an den Keksen anderer?

Mitunter agieren Mitarbeitende und Führungskräfte wie Kleinkinder – sie betreiben "Cookie-Licking". Wie ich auch schon! Was dahinter steckt und wie Sie es überwinden. Eine Kolumne von Nicole Basel.

23. April 2024, 21:33 Uhr, von Nicole Basel, Chefredakteurin

Führungsfragen - Die Kolumne
Nicole Basel führt als Chefredakteurin die impulse-Redaktion. An dieser Stelle schreibt sie über Fragen, die sie als Chefin beschäftigen.

Zugegeben, die Überschrift ist etwas eklig. Aber immerhin hat sie ihr Ziel erreicht und Sie in diesen Text gelockt. Und es geht tatsächlich ums Kekse-Anlecken. Denn „Cookie-Licking“ ist ein Fachbegriff in der amerikanischen Führungsliteratur.

Erfunden wurde er von Steven Sinofsky, einem früheren Microsoft-Mitarbeiter. Er beobachtete, dass sich manche Mitarbeitende oder ganze Teams bei Microsoft so verhielten wie Kleinkinder, wenn es Kekse gibt: Sie lecken erst mal zwei, drei Kekse an, damit die Geschwister sie nicht mehr haben wollen. Wahrscheinlich denken Sie nun: Das würde ich nie machen. Aber womöglich sind Sie auch ein Keks-Abschlecker. Ich kann Ihnen verraten: Ich bin es.

Denn im übertragenen Sinne beschreibt „Cookie-Licking“ das Verhalten von Menschen, die sagen, sie würden die Verantwortung für eine Aufgabe übernehmen oder eine Ressource benötigen – und es dann nicht tun.

Cookie-Licking richtet keinen allzu großen Schaden an, wenn etwa jemand einen Konferenzraum bucht und dann nicht nutzt, oder wenn jemand Werkzeuge für sich beansprucht und nicht damit arbeitet. Schlimmer ist es, wenn es um Aufgaben oder Projekte geht: Wenn Menschen sagen „Ich kümmere mich“ – und es dann nicht tun. Dummerweise kümmert sich dann nämlich auch niemand anderes, schließlich ist das Projekt schon mit einem Namen markiert. Angeleckt sozusagen.

Cookie-Licking bremst Projekte und Mitarbeitende aus

Seien wir ehrlich: Cookie-Licking ist ein typisches Chefverhalten. Viele Führungskräfte neigen dazu, ihr eigener bester Mitarbeiter sein zu wollen – und blockieren damit den Weg für andere. Auch ich habe schon Verantwortungsbereiche für mich deklariert und mich dann nicht gekümmert. Ich habe darauf bestanden, in Entscheidungen eingebunden zu werden, und so das komplette Projekt ausgebremst, oder Aufgaben angenommen, die ratzfatz auf meiner Prioritätenliste ganz unten landeten – während mein Team darauf wartete.

Cookie-Licking ist schädlich fürs Unternehmen, denn Aufgaben und Projekte werden blockiert und kommen nicht voran. Das gilt erst recht, wenn die Chefs zum Cookie-Licking neigen. Niemand wird sie davon abhalten. Dem Chef nimmt man schließlich keine Aufgabe weg.

Was hilft, ist es, sich wieder und wieder vor Augen zu führen, was die Aufgabe einer Führungskraft ist: Menschen zu befähigen, selbst Probleme zu lösen. Ihnen Aufgaben und Verantwortung zu übertragen. Also die Kekse nicht für sich beanspruchen, sondern sie großzügig verteilen. Klingt doch auch viel schöner, oder?