Cheffing
Schadet Führung von unten meinem Unternehmen?

Wenn Ihre Mitarbeitenden subtil auf Sie Einfluss nehmen, nennt man das Cheffing. Müssen Chefs dieses Verhalten unterbinden? Das sagt der Experte.

4. Juli 2024, 11:22 Uhr, von Mona Eichler

Bild einer Frau mit Megafon, die einen Mann mit dem Kopf auf der Tischplatte seines Arbeitsplatzes anschreit.
Cheffing hat stets einen negativen Ruf, aber stimmt das?
© Westend61 / Getty Images

Beim Cheffing beeinflussen Mitarbeitende ihren Vorgesetzten subtil in dessen Entscheidungen und greifen so indirekt in das Unternehmensgeschehen ein. Ob das Führen von unten sich negativ auf das Unternehmen auswirkt, hängt von einem entscheidenden Faktor ab, sagt Organisationsforscher und Unternehmensberater Stefan Klaußner.

Des Weiteren erklärt der Experte, wie Sie positives und negatives Cheffing voneinander unterscheiden können. Denn das Führen von Führungskräften kann seiner Einschätzung nach auch Vorteile für ein Unternehmen haben. Zumal sich Cheffing klar von Staffing – bei dem Mitarbeiter ihre Chefs mobben – abgrenzt.

Cheffing: Definition

„Cheffing ist im Grunde nicht mehr als ein neues Label für etwas, das schon lange bekannt und erforscht ist: Führung von unten“, fasst Stefan Klaußner die Cheffing-Definition zusammen. „Gemeint ist die Einflussnahme der Mitarbeitenden auf die Entscheidungen der eigenen Führungskraft.“

Man könne auch von einer punktuell vorkommenden Hierarchieumkehr sprechen, ergänzt der Experte: „Hierarchie basiert auf einer systematischen Asymmetrie von Einflussmöglichkeiten auf das Entscheiden und Handeln in einer Organisation. Cheffing stellt diese Hierarchie auf den Kopf, indem die Mitarbeitenden aktiv Einfluss nehmen.“

Positives am Führen von unten

Stefan Klaußner hebt hervor, dass Cheffing durchaus positive Effekte hat. Dazu muss allerdings ein entscheidender Faktor gegeben sein: Den Chef zu führen, muss dem Vorankommen der Firma dienen und nicht der Person, die es betreibt.

„Geht es demjenigen um die Sache, wird er nicht an seiner vorgesetzten Führungskraft vorbeiagieren, sondern versuchen, die Führungskraft von seinen guten Ideen zu überzeugen“, erklärt Klaußner.

Warum Cheffing einen schlechten Ruf hat

Anders als bei der Bezeichnung „Führen von unten“ schwingt beim Begriff „Cheffing“ aber auch eine negative Konnotation mit. Demnach reißen Mitarbeitende die Führung an sich, weil sie entweder inkompetente Vorgesetzte haben oder mehr Macht im Unternehmen wollen. „Doch nüchtern betrachtet, ist die Einflussnahme von Mitarbeitenden auf ihre Vorgesetzten ein alltägliches Phänomen und in vielen Fällen funktional“, fährt Klaußner fort.

Trotzdem haftet der Methode ein Beigeschmack von Manipulation an.

Das macht negatives Cheffing aus

Die Führung von unten wird tatsächlich negativ, sobald das Wohl der Firma zurücksteht. Woran Sie egozentrisches Cheffing erkennen? Klaußner gibt Hinweise:

„Geht es primär um persönliche Ziele, beispielsweise bezogen auf die eigene Karriere, erkennt man Cheffing an Verhaltensweisen, die außerhalb des üblichen Handlungs- und Entscheidungsspielraums des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin liegen und zugleich die Sichtbarkeit dieses Teammitglieds erhöhen. Agieren, das gezielt am Vorgesetzten vorbeigeht, sollte ein Alarmsignal sein.“

Wie spreche ich Cheffing an?

Sie haben den Eindruck, dass ein Mitarbeiter oder mehrere Mitarbeitende Cheffing bei Ihnen betreiben? Sprechen Sie es an, sobald das Verhalten Misstrauen in Ihnen auslöst.

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Laut dem Experten sollten Sie dabei in zwei Schritten vorgehen:

  1. „Beginnen Sie das Gespräch auf keinen Fall mit der Unterstellung, dass es sich um negatives Cheffing handelt“, rät Stefan Klaußner. „Hilfreich ist es, die eigene Wahrnehmung möglichst offen, ehrlich und klar anzusprechen und die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter darum zu bitten, die eigene Sicht auf ganz konkrete Situationen darzustellen.“
  2. In einem zweiten Schritt sollten gegenseitige Erwartungen abgeglichen werden, um klarere Spielregeln für die Zusammenarbeit zu definieren. „Stellt sich heraus, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin Cheffing zum eigenen Vorteil gegen die Ziele des Unternehmens einsetzt, muss die Führungskraft den Handlungsrahmen der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters klarer regeln“, ergänzt der Organisationsforscher und Unternehmensberater.

Führung von unten punktuell zulassen

Versuchen Sie nicht, Cheffing generell zu unterbinden. „Führung von unten wird sich nie komplett verhindern lassen und kann sehr hilfreich sein“, unterstreicht Klaußner und betont die positiven Effekte von Cheffing an einem konkreten Beispiel: „Eine Führungskraft, die neu auf ihrer Position ist oder weniger fachliche Kompetenz in den Aufgabenbereichen ihrer Mitarbeitenden besitzt, ist gut darin beraten, positives Cheffing zuzulassen.“

Anders sieht es aus, wenn Sie bemerken, dass ein Mitarbeiter an Ihnen vorbeiagiert und versucht, Sie auszustechen. „Zielt das Cheffing auf die Diskreditierung des/der Vorgesetzten als schlechter Chef ab, sollte das Gespräch gesucht und das Cheffing unterbunden werden“, so Klaußner.

Beim Thema „Führung von unten“ muss von Fall zu Fall abgewogen werden. Wer aus Angst vor Cheffing grundsätzlich Ideen, Vorschläge und Innovationen der Mitarbeitenden abblockt, schadet seinem Unternehmen auf lange Sicht. „Würde man jedes Cheffing unterdrücken, würden Mitarbeitende ihre Ideen nicht mehr äußern und ihre Identifikation mit und die Bindung an ihren Arbeitgeber über kurz oder lang verlieren“, betont Stefan Klaußner.

Der Experte
Bild des Experten Stefan KlaußnerStefan Klaußner ist Partner bei der HPO Research und Consulting Group. Als Organisationsforscher und Unternehmensberater fokussiert er sich auf Fragen der Führungskulturentwicklung. Aktuell forscht er zu psychologischer Sicherheit und "Speak-up"-Mentalität in Organisationen.

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