Bürokratieabbau in den Niederlanden und Großbritannien
Weniger Bürokratie: Was wir von anderen Ländern lernen können

Die Niederlande und Großbritannien sind Spitzenreiter im Hinblick auf den Abbau unnötiger Bürokratie. Wie das gelingt - und was die beiden Staaten anders machen als Deutschland.

29. Mai 2024, 14:43 Uhr, von Verena Bast, Wirtschaftsredakteurin

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Bürokratieabbau Niederlande Großbritannien
Weniger Aktenberge: In den Niederlanden und Großbritannien gelingt der Bürokratieabbau.
© cyano66 / iStock / Getty Images Plus

Wie bauen die Niederlande und Großbritannien die Bürokratie spürbar ab, wie sorgen sie für praxistaugliche und weniger bürokratische Vorgaben? Annette Icks und Michael Holz haben genau das in einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung untersucht – und zwei große Unterschiede festgestellt. „Beide Länder setzen sehr stark auf das Praxiswissen von Unternehmen“, sagt Icks im Gespräch mit ­im­pulse. Und mindestens genauso wichtig: Die Staaten untersuchen – anders als Deutschland – nicht erst nach dem Inkrafttreten von neuen Gesetzen, welche Belastungen und Schwierigkeiten diese für Unternehmen bringen, sondern bereits in einem sehr frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses. Nach dem Motto: Ist das Gesetz verständlich und umsetzbar – oder nicht?

Wie die Niederlande Rat von Unternehmen einholen

Bereits seit 2018 organisieren die Niederlande bei jedem neuen größeren Gesetzesvorhaben einen KMU-Test mit Unternehmen. Zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses diskutieren fünf bis zehn Unternehmer und Unternehmerinnen aus unterschied­lichen Branchen in etwa ein- bis zweistündigen Online-Meetings über die angedachten Regelungen. Die Ergebnisse des KMU-Tests muss die Regierung der Studie zufolge in einen begleitenden Text zum Gesetzesvorhaben aufnehmen.

Außerdem ist sie verpflichtet zu erläutern, wie und warum sie die wesentlichen Kommentare und Empfehlungen der Unternehmen aufgegriffen hat – oder warum nicht. Bis 2023 hat der niederländische Gesetzgeber 61 solcher KMU-Tests durchgeführt. In der Hälfte der Fälle veränderte die Regierung tatsächlich Gesetzestexte, mitunter sogar erheblich. Manche Regelungen nahm sie sogar komplett zurück.

Außerdem untersucht die Regierung, wie hoch der Aufwand für Unternehmen ist, Gesetze umzusetzen, und welche Gesetze sie am meisten belasten. Und erarbeitet daraufhin ein Programm zum Bürokratieabbau.

Was Großbritannien anders macht als Deutschland

Den größten Unterschied zu Deutschland sieht Studienleiterin Annette Icks in der Zielsetzung von Gesetzen: Gesetzliche Regelungen betrachte die Regierung in Großbritannien nicht als „Überwachungs- und Kontroll­instrument“. Stattdessen sollen sie Unternehmen vor allem ­Planungssicherheit und Rechts­sicherheit geben.

Damit Gesetze Unternehmen so wenig wie möglich belasten, muss die Regierung seit Ende 2023 prüfen, ob und welche Alternativen es zu einer angedachten gesetz­lichen Regelung gibt (beispielsweise ein Verzicht auf Regulierung oder Selbstverpflichtungen der Wirtschaft). Anschließend muss sie darlegen, welche Option sie aus welchen Gründen ausgewählt hat.

Um sicherzustellen, dass die ergriffenen Maßnahmen zu einer geringeren Bürokratiebelastung von Unternehmen führen, befragt das Wirtschaftsministerium alle zwei Jahre etwa 2000 Firmen mit mindestens einem Beschäftigten.