Wie bauen die Niederlande und Großbritannien die Bürokratie spürbar ab, wie sorgen sie für praxistaugliche und weniger bürokratische Vorgaben? Annette Icks und Michael Holz haben genau das in einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung untersucht – und zwei große Unterschiede festgestellt. „Beide Länder setzen sehr stark auf das Praxiswissen von Unternehmen“, sagt Icks im Gespräch mit impulse. Und mindestens genauso wichtig: Die Staaten untersuchen – anders als Deutschland – nicht erst nach dem Inkrafttreten von neuen Gesetzen, welche Belastungen und Schwierigkeiten diese für Unternehmen bringen, sondern bereits in einem sehr frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses. Nach dem Motto: Ist das Gesetz verständlich und umsetzbar – oder nicht?
Wie die Niederlande Rat von Unternehmen einholen
Bereits seit 2018 organisieren die Niederlande bei jedem neuen größeren Gesetzesvorhaben einen KMU-Test mit Unternehmen. Zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses diskutieren fünf bis zehn Unternehmer und Unternehmerinnen aus unterschiedlichen Branchen in etwa ein- bis zweistündigen Online-Meetings über die angedachten Regelungen. Die Ergebnisse des KMU-Tests muss die Regierung der Studie zufolge in einen begleitenden Text zum Gesetzesvorhaben aufnehmen.
Außerdem ist sie verpflichtet zu erläutern, wie und warum sie die wesentlichen Kommentare und Empfehlungen der Unternehmen aufgegriffen hat – oder warum nicht. Bis 2023 hat der niederländische Gesetzgeber 61 solcher KMU-Tests durchgeführt. In der Hälfte der Fälle veränderte die Regierung tatsächlich Gesetzestexte, mitunter sogar erheblich. Manche Regelungen nahm sie sogar komplett zurück.
Außerdem untersucht die Regierung, wie hoch der Aufwand für Unternehmen ist, Gesetze umzusetzen, und welche Gesetze sie am meisten belasten. Und erarbeitet daraufhin ein Programm zum Bürokratieabbau.
Was Großbritannien anders macht als Deutschland
Den größten Unterschied zu Deutschland sieht Studienleiterin Annette Icks in der Zielsetzung von Gesetzen: Gesetzliche Regelungen betrachte die Regierung in Großbritannien nicht als „Überwachungs- und Kontrollinstrument“. Stattdessen sollen sie Unternehmen vor allem Planungssicherheit und Rechtssicherheit geben.
Damit Gesetze Unternehmen so wenig wie möglich belasten, muss die Regierung seit Ende 2023 prüfen, ob und welche Alternativen es zu einer angedachten gesetzlichen Regelung gibt (beispielsweise ein Verzicht auf Regulierung oder Selbstverpflichtungen der Wirtschaft). Anschließend muss sie darlegen, welche Option sie aus welchen Gründen ausgewählt hat.
Um sicherzustellen, dass die ergriffenen Maßnahmen zu einer geringeren Bürokratiebelastung von Unternehmen führen, befragt das Wirtschaftsministerium alle zwei Jahre etwa 2000 Firmen mit mindestens einem Beschäftigten.