Betriebsabläufe digitalisieren
So sparen Sie Zeit durch digitale Prozesse

Umständliche Betriebsabläufe kosten Zeit und bremsen die Produktivität eines Unternehmens. Das Abbruchunternehmen Zingelmann hat das erkannt und ist von manuellen auf digitale Prozesse umgestiegen – und schafft es so, mehr Aufträge abzuarbeiten, ohne neue Fachkräfte einstellen zu müssen

6. August 2021, 06:00 Uhr, von Olivia Samnick

Kommentieren
Betriebsabläufe optimieren
© phototechno/iStock/Getty Images Plus/Getty Images

Fast zwei Jahrzehnte ging es gut, bevor es kompliziert wurde: Als das Ehepaar Marcel und Tanja Zingelmann 1995 ein Abbruchunternehmen gründete, dachte niemand daran, Prozesse zu optimieren. Warum auch? Die Firma bei Dahmker östlich von Hamburg war noch im Aufbau. Es ging darum, erste Aufträge an Land zu ziehen und umzusetzen. Mit Erfolg: Die Firma Zingelmann wuchs und hat heute 50 Angestellte. Erst mit der Zeit wurden Probleme sichtbar, die vorher unentdeckt geblieben waren: Viele Prozesse, also wiederkehrende Abläufe im Unternehmen, liefen umständlich über mehrere Schnittstellen und per Hand. Das kostete nicht nur viele Nerven, sondern vor allem wertvolle Zeit.

Auf den Baustellen wurde dadurch die Arbeitsbelastung für die Angestellten immer größer. Genügend neue Fachkräfte zu finden war jedoch schwer. Und auch im Büro staute sich die Arbeit – etwa durch Dokumente, die händisch bearbeitet werden mussten. Es war kaum möglich, mit einem aufgeräumten Schreibtisch heimzugehen, erinnert sich die Chefin. 2014 wagten sich die Zingelmanns an das schwierige Unterfangen, die ineffizienten Arbeitsabläufe in der Firma zu beschleunigen.

Probleme erkennen

„Ich musste überhaupt erst einmal verstehen, wo das Problem genau liegt“, sagt die Geschäftsführerin. Tanja Zingelmann erinnert sich an Beschäftigte, die etwa einen ganzen Arbeitstag nur damit zubrachten, Lieferdokumente zu erfassen und korrekt zu archivieren. Sie beschloss daraufhin, das Thema Prozessmanagement federführend anzugehen. Mit ihrem Mann, mit dem sie sich die Geschäftsführung teilt, würde sie die Neuerungen absprechen. „Im Baugewerbe muss vieles händisch erledigt werden. Trotzdem kann man sich fragen: Was davon geht auch anders?“, sagt Unternehmerin Zingelmann. Ihr Ziel war es, konkurrenzfähig zu bleiben. Dafür sollten alle Prozesse schnell und reibungslos laufen – vom Schreiben des Angebots über die Lieferung auf die Baustelle bis hin zur Fertigstellung eines Auftrags.

Zingelmann begann Fachbücher über Prozessoptimierung zu lesen, stellte aber schnell fest: Das dauert zu lange. Über eine Werbeanzeige stieß sie dann auf den Bayreuther Unternehmensberater Axel Schröder, den sie daraufhin engagierte.

In 3 Stufen zu besseren Prozessen

„Die Zingelmanns sind kein Einzelfall. Viele Firmen wachsen schnell und sehen sich dann mit ähnlichen Prozessproblemen konfrontiert“, sagt Experte Schröder. Er nutzt für Prozessmanagement ein dreistufiges Konzept, um mit Unternehmerinnen und Unternehmern zusammen festzustellen: Wo drückt überhaupt der Schuh, und wie lässt sich das beheben? Mit den Zingelmanns erarbeitete er Prozessstandards, überlegte, wie eine gleichbleibende Qualität der Arbeitsabläufe gewährleistet werden kann und wie Geschäftsprozesse verbessert werden können: Standardisieren, Stabilisieren und Optimieren, nennt Schröder das.

Zunächst gilt es, Prozesse zu standardisieren, also festzustellen: Haben alle in der Firma dasselbe Verständnis von einem bestimmten Arbeitsablauf? Bei einer Firma wie den Zingelmanns, die Angebote schreibt, kann das heißen: „Braucht Frau Meyer etwa drei Tage, um ein Angebot für einen Kunden zu erstellen, und Herr Müller nur einen, dann sollte man die Standardvorgehensweise festlegen“, erklärt Schröder. Soll das Angebot binnen zwei Tagen beim Kunden vorliegen? Braucht es für die Erstellung eine Vorlage? Muss der Entwurf noch einmal gegengeprüft werden? „Halten Sie den Prozessablauf schriftlich fest“, rät Schröder.

Danach müsse man Prozesse stabilisieren. „Das bedeutet etwa, dass ein Unternehmen gewährleistet, dass Arbeitsschritte auch zukünftig immer gleich gut ablaufen“, so Schröder. Dabei kann die Einführung einer Software helfen, die manuelle Fehler durch Automatisierung minimiert und immer gleich schnelle Abläufe ermöglicht.

Ein Beispiel aus dem Betrieb der Zingelmanns: „Im Sommer fahren etwa 80 Lkws für uns, und wir erhalten zig Lieferscheine. Diese müssen jedes Mal händisch an der Baustelle erfasst und später geprüft werden“, sagt Tanja Zingelmann. Ein Beschäftigter brauchte dafür im Schnitt einen ganzen Arbeitstag. Zeit, die an anderer Stelle besser eingesetzt wäre. Die Lösung: Jeden Lieferschein scannt der Fahrer nun per Handy-App direkt auf der Baustelle. Der Lieferschein wird automatisch in einem System archiviert.

Ein Tipp von Schröder, um die passende Software zu finden: „Wenn ich im ersten Schritt dokumentiert habe, wie Prozesse aussehen, kann ich genau damit zu einem Softwareanbieter gehen und fragen: Habt ihr ein passgenaues Angebot für diese Abläufe?“

Im dritten Schritt geht es dann darum, Prozesse fortlaufend zu verbessern. Das kann heißen: Nach einem halben Jahr prüft die Firma, wie viel Prozent der Angebote wirklich in Aufträgen enden, und überlegt, wie sich das Ergebnis verbessern lässt: Müssen wir unsere Angebotsvorlage überarbeiten? Müssen wir beim Kunden häufiger nachfassen? Braucht es eine bessere Kundenbetreuung?

Schröder rät, klein anzufangen: „Sie können sich auch zu Tode optimieren“, sagt er und warnt davor, Prozesse umzustellen, wo es gar nicht notwendig ist. Besser sei es, sich zu fragen: Was geht meinem Team im Arbeitsalltag auf die Nerven? „Wenn ich es schaffe, die Antworten auszuhalten und zuzuhören, dann komme ich schnell darauf, was überhaupt geändert werden muss“, sagt der Unternehmensberater.

Bei der Lösungssuche bezieht Zingelmann ihr Team mit ein: Sie selbst entwickelt die Ideen, inspiriert von Fernsehbeiträgen, YouTube-Videos oder Gesprächen mit Unternehmern aus der Branche, und geht dann gezielt auf Beschäftigte zu, um diese Einfälle zu erproben.

So hatte sie etwa die Idee, digitale Vermessungen einzuführen. Dazu schaffte sie die nötige Technik an, ein neues Tablet, und beauftragte zwei Baggerfahrer, sich daran auszuprobieren. Jemand Geeignetes für solche Tests zu finden sei nicht schwer: „Dafür sind wir klein genug. Man kennt sich.“ Besteht eine Maßnahme den Praxistest, wird sie eingeführt. Sonst sucht die Chefin weiter nach Lösungen.

Kampf gegen Zeitfresser

Tanja Zingelmann identifizierte 2014 gleich mehrere Brennpunkte: zeitfressende Routinetätigkeiten und komplizierte Schnittstellen.

Mit wachsender Auftragslage blieb etwa den Bauleitern kaum noch Zeit für persönliche Absprachen – vor allem mit den Kundinnen und Kunden, erzählt Zingelmann. Die Lösung: Software entlastete die Beschäftigten bei manuellen Routineaufgaben – wie der Erstellung eines Angebots.

Zusätzlich erhielten die Bauleiter von der Unternehmerfamilie mehr Verantwortung im operativen Geschäft. So waren weniger Abstimmungsschleifen mit den Chefs nötig. Durch diesen Zeitgewinn konnten die angestellten Bauleiter das wachsende Auftragsaufkommen bewältigen, ohne dass neues Personal eingestellt werden musste. Die Zingelmanns beschleunigten Arbeitsprozesse nicht nur, sondern lösten nebenbei auch ihr Fachkräfteproblem.

Auch beim Urlaub lief es bisher komplizierter als nötig: Einen Urlaubswunsch stellten Beschäftigte auf den Baustellen früher erst mal ans Büro. Hier berechnete jemand, ob und – wenn ja – wie viel Urlaub dem Kollegen oder der Kollegin zusteht. Die Lösung: Bei Zingelmann kalkulieren bald alle Baustellenbeschäftigten mit iPads ihre Urlaube selbst. Das Büro braucht sie nur noch digital abzusegnen.

Die teuren Geräte sind eine Investition in die Zukunft: Wenn die Chefin das Programm zur digitalen Vermessung von Baugruben einführt, kann sie es auf den iPads laufen lassen – und damit die Vermessung von Hand ersetzen.

Die Chefin will mehr

Ganz so reibungslos lief es nicht immer: „Unser größtes Problem der vergangenen Jahre war die schlechte Internetverbindung.“ Das bremste Zingelmann in ihren digitalen Bestrebungen erst mal aus. Das winzige Dorf Dahmker wurde erst vor Kurzem mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet. In Zukunft setzt die Chefin umso mehr auf digitales Prozessmanagement, mit einer auf die Firma zugeschnittenen Software. „Dieses Programm verbindet unser Büro mit den Baustellen. Es ermöglicht papierloses Arbeiten, man kann dort Dokumente und Daten online pflegen“, sagt sie.

Tanja Zingelmann macht das Prozessmanagement Spaß: „Ich gehe mit ganz anderen Augen durch den Betrieb“, schwärmt sie.

In eigener Sache
Power-Hour: Change-Management
Gratis Webinar für Unternehmer
Power-Hour: Change-Management
60 Minuten, 5 Lektionen, 1 Ziel: Ihr Unternehmen zielsicher durch Veränderungen führen – ohne dass jemand durchdreht.
Mehr lesen