Satanische Verhandlungstricks
So wehren Sie sich gegen Manipulationen in Verhandlungen

Mit fragwürdigen Methoden versuchen einige Verhandlungspartner, ihr Gegenüber zu manipulieren. Vier verbreitete Psycho-Tricks und wie Sie sich zur Wehr setzen können.

24. Juli 2024, 10:26 Uhr, von Julia Müller, leitende Redakteurin

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Eine Zeichnung in schwarz und rot gehalten, auf der übergroße Hände eine Person mit Fäden einwickeln.
Wie Sie fiese Verhandlungstricks erkennen – und sich nicht von ihnen verwirren lassen.
© tatianazaets / iStockphoto / Getty Images

Inhalt: Das erwartet Sie in diesem Artikel

Ob mit Kunden, einer Versicherungsvertreterin, der Marketingagentur oder Lieferanten: Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ständig verhandeln. Dabei können sie auf Menschen treffen, die um jeden Preis gewinnen wollen und vor nichts zurückschrecken. Der Rhetoriktrainer Wladislaw Jachtchenko beschäftigt sich seit vielen Jahren damit, wie in Verhandlungen gelogen und manipuliert wird. Profis auf diesem Gebiet nennt er satanische Verhandlungskünstler: „Sie nehmen keine Rücksicht. Vor allem aber wollen sie, dass wir uns ihrem Willen beugen, auch wenn wir uns dadurch dauerhaft selbst schaden.“

Früher sei in Verhandlungen vor allem mit Druck gearbeitet worden. Inzwischen setzen die Manipulationsexperten laut Jachtchenko auf subtilere Methoden, die auf psychologischen Prinzipien beruhen. „Diese neuen Methoden benennen und erkennen zu können ist der erste Schritt hin zu einer guten Verteidigung“, so der Experte.

1. Das Chamäleon-Prinzip

So funktioniert es

„Der böseste Manipulant ist oft der sympathischste Mensch im Raum“, sagt Jachtchenko. Wir mögen Menschen, die uns ähnlich sind. Das nutzen Verhandlungsprofis aus, indem sie sich bewusst an die Persönlichkeitsstruktur ihres Gegenübers anpassen – und so schnell Vertrauen und Sympathie aufbauen. Die Psychologie spricht dabei vom „Ähnlichkeits-Anziehungs-Effekt“.

Durch genaues Beobachten und geschicktes Nachfragen im anfänglichen Small Talk analysieren die Verhandler ihr Gegenüber. Haben sie es eher mit einem analytischen und introvertierten oder einem emotionalen Typ zu tun? Und dann spiegeln sie diese Eigenschaften. Die Analytikerin füttern sie mit Zahlen, Daten und Fakten. Dem extrovertierten Netzwerker lassen sie genug Raum, seine persönlichen Anekdoten zu erzählen, und revanchieren sich ebenfalls mit vermeintlicher Offenheit.

Ein Warnsignal für diese Form der Manipulation ist laut Jachtchenko, wenn Gemeinsamkeiten extrem betont werden. „Ach, Sie haben ja auch in Augsburg studiert?“ Oder: „Sie waren bei der Allianz tätig, ich auch …“. Wenn sich so etwas am Anfang eines Gesprächs häufe, sollten die Alarmglocken läuten. Das bedeute nicht, dass man von nun als Menschenfeind durchs Leben gehen müsse. Doch bei Verhandlungen sei immer Vorsicht angebracht.

Wie Sie sich wehren

Wer das Gefühl hat, mit einem Chamäleon zu verhandeln, sollte nicht weiter auf die Anbiederungsversuche eingehen. Was hilft: Auch dann, wenn einem jemand besonders sympathisch und vertrauenserweckend erscheint, wachsam zu bleiben. Und darauf zu achten, ob im Laufe des Gesprächs möglicherweise weitere Manipulationsversuche folgen. Wichtig: „Halten Sie dem anderen diese Manipulationsversuche nicht vor“, rät Experte Jachtchenko. Denn es bestehe immer auch die Möglichkeit, dass sich Ihr Gegenüber seiner Manipulation gar nicht bewusst sei – und dann zerstöre eine Konfrontation jedes Vertrauen für die weitere Verhandlung.

2. Priming

So funktioniert es

Priming lässt sich mit „Manipulation durch Vorinformation“ übersetzen. Ein Beispiel: Ein Versicherungsvertreter fragt seine neue Kundin vor dem eigentlichen Verkaufsgespräch, ob sie schon im Urlaub war. Sie erzählt von ihrer letzten Reise, im Gegenzug berichtet der Versicherungsvertreter von einer Freundin, die sich kürzlich spontan für einen Last-minute-Trip nach Madagaskar entschieden habe. Diese Entscheidung habe sie nicht bereut, der Urlaub sei toll gewesen.

Mit dieser vermeintlich zufällig erwähnten Geschichte verfolgt der Versicherungsvertreter eine Absicht: Er möchte der Kundin die Idee einpflanzen, dass spontane Entscheidungen gut sind. Die Vorinformation soll ihre spätere Entscheidung beeinflussen. Zahlreiche wissenschaftliche Experimente belegen, dass Priming funktioniert. „Es gibt Menschen, die in jeder Verhandlung damit arbeiten“, so Jachtchenko.

Wie Sie sich wehren

Der beste Schutz vor Priming sind sogenannte „implementation intentions“, also Umsetzungsabsichten. Dabei definiert man in einer „Wenn, dann“-Aussage genau, wie man sich in einer bestimmten Situation verhalten möchte. Vor einem Gespräch mit einem Versicherungsvertreter könnte die Umsetzungsabsicht etwa lauten: „Wenn ich ein erstes Angebot bekomme, dann erbitte ich mir Bedenkzeit und hole mir ein weiteres Angebot ein, bevor ich mich entscheide.“ Dieses Vorgehen lässt Priming-Versuche abprallen. Hilfreich ist auch, sich seine Umsetzungsabsicht für das Gespräch auf einem Zettel zu notieren.

Ziele setzen, eine Strategie festlegen: Diese Checkliste zum Herunterladen hilft, eine Verhandlung optimal vorzubereiten

3. Framing

So funktioniert es

Wie wir Sachverhalte bewerten, hängt von unserer Perspektive ab – und diese Perspektive versuchen Verhandlungspartner zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Dieses Framing (auch Rahmungs-Effekt genannt) enttarnen Sie, indem Sie sich fragen: Welchen Ausschnitt der Realität sehe ich? Was könnte außerhalb meines Bezugsrahmens liegen? Was wird bewusst ausgelassen?

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Ein Vermögensberater könnte beispielsweise behaupten: „Unser Aktienfonds wächst seit 2015 durchweg positiv.“ Tatsächlich gibt es den Fonds seit 2010, in den ersten fünf Jahren lief es nicht besonders gut, erst seit 2015 ist die Entwicklung konstant positiv – der Berater unterschlägt also die ungünstigen Anfangsjahre. „Der satanische Verhandlungskünstler geht häufig nur auf die Vor- oder die Nachteile ein und lässt die anderen Aspekte bewusst weg“, erklärt Jachtchenko.

Wie Sie sich wehren

Vor Framing schützt gesunde Skepsis. Eine Leitfrage, die hilft, das komplette Bild zu sehen: Was hat mein Gegenüber nicht gesagt? „Sie sollten sich immer fragen, ob Ihnen womöglich ein wichtiger Teil der Realität verschwiegen wird“, rät der Experte. Auch konkretes Nachfragen kann helfen: Gibt es eine Gegenstimme? Welche Nachteile könnte das mit sich bringen?

4. Emotionales Ankern

So funktioniert es

Gefühle spielen bei unseren Entscheidungen eine wichtige Rolle. „Wer die Emotionen des anderen manipuliert, manipuliert also gleichzeitig auch sein Handeln“, erklärt Jachtchenko. Ein Beispiel: Schon beim Betreten des Verhandlungsraums sagt der Geschäftspartner: „Ich sage es Ihnen gleich, ich bin ein harter Hund.“ So versucht er, ein böses Image aufzubauen und bei seinem Gegenüber ein Gefühl von Angst, Bedrohung und Vorsicht zu erzeugen. Und womöglich auch, den Ehrgeiz des Verhandlungspartners zu wecken.

Macht dieser nach eigener Aussage knallharte Verhandler dann im Verlauf des Gesprächs ein kleines Zugeständnis, kann das auf das Gegenüber wie ein großer Erfolg wirken. „Sie denken dann vielleicht: Wow, dem habe ich echt etwas abgerungen“, sagt Jachtchenko. „Dabei hatte er dieses kleine Zugeständnis eingeplant, und Sie hätten noch viel mehr für sich herausholen können.“

Die Strategie funktioniert auch andersherum. „Ich denke, wir können heute ganz entspannt unsere Sichtweisen darlegen, das sollte eine angenehme Verhandlung für uns beide werden“ – mit einem solchen emotionalen Anker soll der Gesprächspartner positiv gestimmt und eine lockere, offene Atmosphäre erzeugt werden. „Das kann Sie dazu verleiten, sich zu sehr zu entspannen und viel von sich preiszugeben“, sagt Jachtchenko. „Und anschließend kann der Manipulant diese Informationen gegen Sie nutzen.“

Wie Sie sich wehren

Gefühle wie Wohlwollen oder Angst sollte man in Verhandlungen ausblenden. Dabei hilft, sich auf die Fakten zu konzentrieren und sie genau zu hinterfragen. Etwa: Gibt es ein Rücktrittsrecht? Kann ich nach drei Monaten kündigen?

Drohen Ihre Emotionen in einer Verhandlung die Überhand zu gewinnen, legen Sie eine Pause ein. Profi-Tipp: „Überlegen Sie sich vorab eine Ausrede. Entschuldigen Sie sich etwa schon im Vorfeld dafür, dass Sie nachher womöglich für zehn Minuten rausmüssen, wenn eine wichtige SMS kommt.“

Der Experte
Wladislaw JachtchenkoDer Jurist und Politologe Wladislaw Jachtchenko aus München trainiert seit 2007 Führungskräfte und Unternehmer in Rhetorik. Als Speaker hält er auch Vorträge über erfolgreiches Verhandeln und Kommunikation. Mit Wolf Ruede-Wissmann hat er das Buch "Satanische Verhandlungskunst" geschrieben, das bei Langenmüller erschienen ist (253 Seiten, 22 Euro).
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