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Wie geht es mir gerade? Wie gestresst bin ich wirklich? Und was bräuchte ich, damit ich mich besser fühle? Auf diesen Fragen basiert die sogenannte Blitzlicht-Methode. Das Problem: Die meisten nehmen sich im Alltag kaum Zeit für eine solche kurze Selbstreflektion.
„Wir haben verlernt, für uns zu sein“, sagt die Psychologin Friederike Gerstenberg. „Wenn wir ein paar Minuten Wartezeit überbrücken müssen, greifen wir zum Handy. Es fehlen Momente, in denen wir in uns hineinhorchen und uns darüber klar werden, was wir brauchen.“
Doch genau dieses Innehalten sei wichtig, um den Alltag entspannter zu bewältigen, abschalten zu lernen und bessere Entscheidungen zu treffen. In ihrer psychologischen Praxis hilft Gerstenberg ihren Klienten, ein gutes Gefühl für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln. Als ersten Schritt setzt sie dabei häufig auf die Blitzlicht-Übung.
So funktioniert die Blitzlicht-Methode
Die Methode beruht auf der bildhaften Vorstellung, sein eigenes Inneres wie mit einem Blitzlicht kurz auszuleuchten – daher auch der Name. „Stellen Sie sich vor, Ihre Psyche ist ein dunkler Raum. Sie haben also keine Ahnung, wie es darin aussieht. Und jetzt schicken Sie ein Blitzlicht in diesen Raum“, erklärt Gerstenberg. „Dann versuchen Sie, an drei Adjektiven festzumachen, wie Sie sich gerade fühlen. Wenn Sie das machen, wissen Sie relativ genau, wie es Ihnen geht, was Sie gerade brauchen“, so die Psychologin.
Beispiel: Die Blitzlicht-Methode im Einsatz
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf dem Weg zum nächsten Kundentermin. Mit der Blitzlicht-Methode halten Sie kurz inne und fragen sich: Wie sieht es in mir gerade aus? Auf diese Weise erkennen Sie vielleicht, dass Sie müde und durstig sind und sich nervös fühlen – und können darauf reagieren.
„Wenn wir loshetzen und angespannt sind, kommen oft ganz grundlegende Bedürfnisse zu kurz“, sagt die Psychologin. „Dabei reicht manchmal eine minimale Intervention, damit wir uns besser fühlen. Zum Beispiel einfach nur in Ruhe noch einen Schluck trinken, bevor Sie aufbrechen.“
Natürlich könne man nicht immer sofort alle Bedürfnisse befriedigen. „Wenn Sie denken: Ich bräuchte jetzt mal zwei Wochen Urlaub in der Karibik, wird es schwierig. Aber einen Mikro-Moment, in dem Sie bewusst etwas machen, das Ihnen guttut – das schafft man.“
Wie Sie die Blitzlicht-Übung im Alltag anwenden
Die Blitzlicht-Methode lässt sich über den Tag verteilt immer wieder anwenden. Der Vorteil: Sie müssen dafür nichts vorbereiten, brauchen keine Yoga-Matte, keine Meditationsmusik, niemand kriegt das kurze Innehalten mit.
Um sich gerade am Anfang regelmäßig an die mentale Momentaufnahme zu erinnern, empfiehlt Gerstenberg, einen Blitz auf ein Post-it zu malen oder eine Postkarte mit einem Blitz-Motiv aufzustellen.
Besonders hilfreich ist die Übung laut der Psychologin immer dann, wenn ein Wechsel ansteht: von der Arbeit zum Feierabend, vom Schreibtisch zum wichtigen Meeting. Sie können die Methode aber auch in Ihre Morgenroutine einbauen und direkt nach dem Aufstehen das erste Blitzlicht nach innen schicken, um bewusst in den Tag zu starten.
Was die Blitzlicht-Methode laut Psychologie bewirken kann
Sie lernen, die eigenen Kapazitäten besser einzuschätzen
Mit der Zeit hilft die Übung dabei, den eigenen Tagesablauf realistischer zu planen. Ist mir dieser Auftrag nicht zu viel? Sollte ich nicht lieber Termine absagen, die mich schon im Vorfeld stressen? Welche Aufgaben kann ich delegieren?
„Dieses Loslassen müssen viele erfolgreiche Menschen erst lernen. Sie haben verinnerlicht: Ich werde erfolgreich, indem ich viele Dinge tue“, so Gerstenberg. „Sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist, dieser Gedanke muss bei vielen noch ankommen. Weniger tun, aber das besser.“
Sie reagieren in Stressmomenten besonnener
„Je besser ich meine eigenen Muster kenne, desto besonnener kann ich in brenzligen Situationen reagieren“, erklärt Gerstenberg. „Dass Menschen unter Stress impulsiver entscheiden, wurde in vielen empirischen Studien bewiesen. Je gestresster wir sind, desto eher neigen wir dazu, kopflos zurückzuballern.“
Chefs und Chefinnen kann es also zum Beispiel im Umgang mit Mitarbeitenden helfen, wenn sie regelmäßig Selbstreflexion mit der Blitzlicht-Methode betreiben.
Denn in Stressmomenten kann es schon mal passieren, dass man vor Wut die Türen knallt oder Mitarbeitern über den Mund fährt. Die Blitzlicht-Methode hilft dabei, in einen reflektierten Modus zu schalten. Und dann bessere Entscheidungen zu treffen.
Friederike Gerstenberg ist Professorin für Psychologie an der Hochschule Esslingen. Seit 2017 berät die systemische Therapeutin in eigener Praxis in Esslingen.
