ESG bei Banken
Nachhaltigkeit: Auf diese ESG-Kriterien achten Banken

Gibt es Geld bald nur noch für nachhaltige Betriebe? Immer mehr Banken achten auf Umwelt- und Sozialstandards von Unternehmen. Das sollten Sie über ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe wissen.

7. September 2024, 07:46 Uhr, von Peter Neitzsch, Wirtschaftsredakteur

9 im Quadrat angeordnete Holzwürfel, auf denen grüne Symbole für Umweltschutz abgebildet sind. Hellblauer Hintergrund.
ESG bei Banken: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung werden immer wichtiger für die Kreditvergabe.
© Pavel Muravev / iStock / Getty Images Plus

Was bedeutet ESG bei Banken?

Nachhaltig zu wirtschaften wird für Unternehmen immer wichtiger. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von ESG-Kriterien die Rede: Die Abkürzung ESG steht für die englischen Begriffe Environmental, Social und Governance – also für die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Damit ist gemeint, dass Unternehmen zunehmend Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie selbst und ihre Zulieferer bestimmte Umwelt- und Sozialstandards einhalten. So sind ab 2024 immer mehr Unternehmen dazu verpflichtet, einen ESG-Bericht zu verfassen.

Doch nicht nur das Thema ESG für Unternehmen gewinnt an Bedeutung. Auch Banken achten zunehmend auf ESG-Kriterien und berücksichtigen diese etwa bei der Kreditvergabe. Eine EU-Richtlinie verlangt von Banken zu prüfen, ob Kreditnehmer Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Die Folge: Unternehmen mit einem schlechten ESG-Scoring müssen teilweise mit höhere Kreditkosten rechnen oder haben schlimmstenfalls Schwierigkeiten, überhaupt einen Kredit zu erhalten.

Wie bewerten Banken die Bonität eines Unternehmens?

Banken beurteilen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen anhand von vier Faktoren, erläutert Carl-Dietrich Sander, Unternehmensberater und Finanzierungsexperte aus Kaarst in der Nähe von Düsseldorf. Diese Faktoren sind traditionell: das Rating des Unternehmens, die Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit und die vorhandenen Sicherheiten. Neu zur klassischen Bonitätsprüfung hinzugekommen ist nun als vierter Punkt: ESG. Banken nutzen ESG-Kriterien, um das Risiko von Investitionen besser zu bewerten und zu minimieren.

Dass ESG bei Banken überhaupt eine Rolle spielt, liegt an einer EU-Richtlinie zur Regulierung des Finanzmarkts. Die Umsetzung dieser Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) ist Aufgabe der nationalen Bankenaufsichten. So treibt in Deutschland vor allem die Bafin die Berücksichtigung von ESG-Kriterien durch Banken voran. „Das Regelwerk der Bafin wurde 2023 völlig überarbeitet und jetzt gewinnt das Thema ESG bei Banken langsam aber stetig an Bedeutung“, sagt Sander.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Banken?

„Banken müssen künftig die von ihnen vergebenen Kredite nach ESG-Kriterien einordnen“, sagt Sander. Dabei geht es zum einen um die Frage, wie nachhaltig die Unternehmen wirtschaften, denen Banken Geld leihen. Also zum Beispiel darum: Welchen CO2-Fußabdruck hat ein Unternehmen? Wie stellt die Firma sicher, dass Standards in der Lieferkette eingehalten werden? Was tun die Verantwortlichen, um Diversität zu fördern und Diskriminierung zu verhindern?

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Besonders wichtig ist der Bankenaufsicht das Risikomanagement bei der Kreditvergabe. „Gerade bei langfristigen Krediten müssen Unternehmen über einen langen Zeitraum kapitaldienstfähig bleiben“, erläutert Sander, der auch der Fachgruppe Finanzierung und Rating im Bundesverband „Die KMU-Berater“ angehört. „Und das geht nur, so die Annahme, wenn Unternehmen nachhaltig wirtschaften und damit ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell haben.“

Banken müssen also auch die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells bewerten, so Sander. „Hier geht es um die Frage: Wie zukunftsfähig ist ein Betrieb?“ Also: Welche Übergangsrisiken existieren in der jeweiligen Branche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit? Und: Wo steht das Unternehmen verglichen mit anderen? In die ESG-Bewertung der Banken fließen auch Umweltrisiken ein, die mit dem Standort verbunden sind – etwa die Gefahr von Naturkatastrophen.

Darüber hinaus wird auch das Thema nachhaltiges Banking immer wichtiger: Viele Banken haben sich selbst verpflichtet, ihre Portfolios nachhaltiger zu gestalten – ESG-Kriterien werden so zunehmend zur Voraussetzung für den Zugang zu günstiger Finanzierung.

Auf welche ESG-Kriterien achten Banken?

Banken achten auf eine Vielzahl von ESG-Kriterien.

  • Im Bereich Umwelt zählen dazu etwa die CO2-Emissionen, das Abfallmanagement, der Wasserverbrauch und die Nutzung erneuerbarer Energien.
  • ESG-Kriterien von Banken im Bereich Soziales sind etwa Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verantwortung in der Lieferkette und Inklusion.
  • Corporate Governance bezieht sich auf die Einhaltung von Compliance-Richtlinien, Transparenz und die Qualität des Risikomanagements.

Allerdings bewerten die Finanzinstitute derzeit nicht jedes Unternehmen individuell anhand dieser ESG-Kriterien, Banken arbeiten dafür vielmehr mit einem Scoring-System. Dabei bewerten die Banken das ESG-Risiko von Unternehmen auf einer Skala von A bis E, wobei A für geringe und E für hohe Nachhaltigkeitsrisiken steht. „Noch erfolgt die Einordnung überwiegend relativ pauschal“, erläutert Sander. Doch der Trend gehe zu immer ausführlicheren Fragenkatalogen, aus denen dann ein detailliertes ESG-Risiko-Scoring abgeleitet werde.

Die großen Bankverbände – also Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken – hätten bereits entsprechende Scoring-Modelle entwickelt, wenn auch noch nicht flächendeckend im Einsatz, so Sander. Die ESG-Kennzahlen und Musterfragen des Bundesverbands Deutscher Banken sind sogar öffentlich und können von der Verbandswebsite heruntergeladen werden.

Wie wichtig ist der Standort für die ESG-Bewertung?

„Aktuell ordnen die Banken anhand ihrer ESG-Risiko-Scores Unternehmen einer Risikoklasse zu, die vor allem von der Branche und vom Standort abhängt“, erläutert der Finanzierungsexperte Carl-Dietrich Sander. Den Ausschlag für die Einstufung gibt also nicht das Bemühen des Unternehmens, nachhaltig zu wirtschaften, sondern oft schlicht das Postleitzahlgebiet des Firmensitzes.

Ist der Standort des Unternehmens zum Beispiel oft von Hochwasser betroffen, verschlechtert sich automatisch das Scoring. Dabei bleiben die konkreten Umstände unberücksichtigt: Das schlechte Scoring bleibt auch, wenn die Firma Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat oder sich die Produktionsstandorte womöglich ganz woanders befinden als der Firmensitz. „Hier lohnt es sich als Unternehmen aktiv darauf hinzuweisen, dass die Risiken am tatsächlichen Standort anders verteilt sind“, rät Sander.

Wie wichtig ist die Branchenzugehörigkeit?

Das zweite wichtige Kriterium neben dem Standort ist die Branche. So haben einige Branchen von Natur aus höhere Umweltrisiken, wie etwa die Chemieindustrie oder die fossile Energieerzeugung.

„Aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit macht es natürlich einen Unterschied, ob ich Steuerberater bin oder Brennstoffhändler“, sagt Sander. Banken würden Angehörige der letztgenannten Berufsgruppe – allein aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit – in die ESG-Risikoklasse „E“ einstufen. Das Geschäftsmodell eines Steuerberaters birgt dagegen nur geringe Nachhaltigkeitsrisiken – Angehörige dieses Berufs werden daher in die ESG-Risikogruppe „A“ eingeordnet.

Nicht immer ist die Brancheneinordnung nachvollziehbar: So erhalten im ESG-Risiko-Scoring der Sparkassen Unternehmen aus dem Baugewerbe die Risikoklasse „B“, verarbeitendes Gewerbe „C“ und landwirtschaftliche Betriebe pauschal „D“. Wer sich mit seiner ESG-Einstufung nicht zufriedengeben will, sollte aktiv daraufhin wirken, dass diese geändert wird, rät Sander. So könnten Landwirte etwa nachfragen: „Wurde bei der Einstufung bereits berücksichtigt, dass ich meinen Hof auf Biolandwirtschaft umgestellt habe?“

Welche Folgen hat ein schlechtes ESG-Scoring?

„Eine schlechte ESG-Bewertung durch die Bank kann zum Beispiel dazu führen, dass sich die Konditionen eines Darlehens verschlechtern“, warnt Sander. „Schlimmstenfalls erhält das Unternehmen überhaupt keinen Kredit mehr.“ Der Finanzierungsexperte rät daher dazu, aktiv nachzufragen, wie die Bank die ESG-Bewertung vornimmt. Denn nur dann könnten sich Unternehmerinnen und Unternehmer darauf einstellen und etwa entsprechende Unterlagen einreichen oder Maßnahmen ergreifen, um auf ein besseres Scoring hinzuwirken.

„In der Regel werden Banken über ihre Gründe Stillschweigen bewahren und die Scorings im Hintergrund nicht erwähnen“, sagt Sander. Allerdings sind die Banken dazu verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, warum ein Kredit abgelehnt wurde. Der Finanzierungsexperte rät Inhabern, darauf hinzuwirken, dass das Scoring verbessert wird: „Unternehmer sollten herausstellen, was die Besonderheiten in ihrem Geschäftsmodell sind, die sie über den Standard heben.“

Wie können Unternehmen ihr ESG-Scoring verbessern?

Sander empfiehlt zunächst offensiv herauszustellen, was im Unternehmen bereits geschieht in Sachen Nachhaltigkeit. „Sammeln sie einfach mal, was sie schon machen, oder fragen Sie Ihre Mitarbeiter, die haben oft noch ganz andere Ideen.“ Die meisten Firmen würden in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung schon viel tun, hätten diese Aktivitäten aber noch nie systematisch zusammengestellt.

„Viele Unternehmen wissen gar nicht, was relevant ist“, urteilt Sander. So sei ein Kriterium im Bereich Soziales die gleiche bzw. ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Der Inhaber eines Handwerksbetriebs mit 15 Mitarbeitern wisse aber möglicherweise gar nicht, dass er sich mit diesem Gender-Pay-Gap befassen muss. Um Unterschiede beim Gehalt zu ermitteln, ziehen die Banken üblicherweise Branchendaten heran – unabhängig von der konkreten Bezahlung im Betrieb. „Wer sein Team bereits gleich bezahlt, sollte das daher im Nachhaltigkeitsbericht aktiv herausstellen.“

Was können Unternehmen im Bereich ESG noch tun?

Nach der Bestandsaufnahme könnte der nächste Schritt darin bestehen, sich Ziele in den verschiedenen Bereichen – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – zu setzen. So könnten Betriebe Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und etwa mehr erneuerbare Energien einsetzen oder Verpackungsmüll vermeiden. Im sozialen Bereich können Unternehmen die Mitbestimmung der Mitarbeitenden ausbauen oder sich in sozialen Projekten engagieren. Die Einführung von Ethikrichtlinien und Transparenz wirken sich auf den Bereich Unternehmensführung aus.

„Unternehmerinnen und Unternehmer könnten zum Beispiel ihren CO2-Fußabdruck ermitteln“, schlägt Sander vor. Entsprechende Tools und Anleitungen finden sich kostenlos im Internet (zum Beispiel hier: www.ecocockpit.de). Mit dieser Hilfe können Unternehmen eine Klimabilanz erstellen und diese regelmäßig aktualisieren. „Damit haben Sie schon einen ersten Nachhaltigkeitsbericht, den Sie den Banken geben können, damit ihre Kreditgeber erkennen: Sie beschäftigen sich mit dem Thema.“ Einige wenige Seiten würden zu diesem Zweck völlig ausreichen.

Neben der Verbesserung interner Prozesse können Unternehmen auch eine ESG-Zertifizierung anstreben oder sich durch spezialisierte Agenturen bewerten lassen. Auch das kann sich positiv auf das ESG-Scoring durch die Bank auswirken.

Warum ist das Thema ESG für Unternehmen noch wichtig?

Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht nur für die Zusammenarbeit mit Banken relevant: „Auch andere Stakeholder werden Sie danach fragen – Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Bewerber“, sagt Sander. „Große Unternehmen – wie zum Beispiel Supermarktketten – reichen ihre Berichtspflichten regelmäßig an Lieferanten weiter.“ In vielen Branchen würden junge Leute auch ihren Arbeitgeber danach auswählen, wie das Unternehmen mit Nachhaltigkeitsaspekten umgeht.

Unternehmen, die ESG-Kriterien nicht erfüllen, riskieren finanzielle Nachteile und Reputationsschäden. Eine solide ESG-Strategie hilft Firmen dagegen nicht nur, Risiken zu minimieren, sondern auch Chancen zu nutzen, indem sie sich als verantwortungsbewusster und zukunftsorientierter Marktteilnehmer positionieren. Nachhaltigkeit kann so zum entscheidenden Faktor für langfristigen Erfolg werden.

„Man sollte sich nicht nur wegen der Finanzierung mit dem Thema ESG bei Banken befassen“, empfiehlt Sander. „Letztlich geht es um die Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells.“ Unternehmerinnen und Unternehmer könnten die ESG-Kriterien also auch nutzen, um ihr Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln.

Der Experte
Carl-Dietrich SanderCarl-Dietrich Sander ist Unternehmensberater aus Kaarst in der Nähe von Düsseldorf. Seit mehr als 25 Jahren berät er Inhaber mittlerer und kleiner Unternehmen in Finanzierungsfragen. Davor hat Sander in leitenden Positionen im Bankbereich gearbeitet. Der Autor des Buches „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“ gehört der Fachgruppe Finanzierung und Rating im Bundesverband „Die KMU-Berater“ an.
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