Betriebsrente
Diese Mehrkosten bei der Betriebsrente kommen auf Arbeitgeber zu

Ab 1. Januar 2022 müssen alle Firmen Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung ihrer Angestellten zahlen - auch bei bestehenden Verträgen. Was Unternehmer jetzt tun müssen.

28. Dezember 2021, 06:00 Uhr, Von Jennifer Garic

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Betriebsrente
© Peter Dazeley/The Image Bank/Getty Images

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) soll für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer attraktiver werden – so will es der Gesetzgeber. Was es dafür braucht? Natürlich ein Gesetz mit einem Monsternamen: das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Dieses wird schon seit 2018 schrittweise eingeführt und hat Auswirkungen für Arbeitgeber: Sie müssen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in die betriebliche Altersversorgung einzahlen, finanziell unterstützen. Bisher galt das nur für neu abgeschlossene Versicherungsverträge. Doch ab Januar 2022 müssen Arbeitgeber auch bestehende Verträge bezuschussen.

Chefinnen und Chefs sollten spätestens jetzt handeln. Wer entsprechende Verträge bis zum Jahreswechsel noch nicht umgestellt hat, riskiert, später mit unvorhergesehenen Kosten konfrontiert zu sein. „Nur etwa die Hälfte der Firmen, die ich berate, sind fertig“, sagt der selbstständige und unabhängige bAV-Fachberater Martin Horoba aus Montabaur. Viele haben die Umstellung vor sich hergeschoben, weil das Gesetz mehr Bürokratieaufwand und höhere Kosten bedeutet. Hier lesen Sie, welche Regeln gelten und was Sie tun müssen.

Welche Mehrausgaben auf Firmen zukommen

Von der staatlich geförderten betrieblichen Altersversorgung profitierten bisher nicht nur Angestellte, sondern auch Unternehmen: Zahlt ein Mitarbeiter in eine Betriebsrente ein, wird ein monatlicher Beitrag direkt vom vereinbarten Bruttogehalt abgezogen. Auf den eingezahlten Betrag werden keine Sozialversicherungsabgaben erhoben. Man spricht auch von Entgeltumwandlung. Je nach Höhe des Versicherungsbeitrags sparten Firmen so bisher im Durchschnitt 20 bis 30 Euro Sozialversicherungsbeiträge pro Mitarbeiter und Monat.

Nun sollen Arbeitgeber nicht mehr von der Vorsorgeleistung ihrer Angestellten profitieren und stattdessen die Ersparnis an die Teammitglieder weitergeben. Deshalb müssen sie künftig mindestens 15 Prozent des Mitarbeiterbeitrags als Zuschuss obendrauf legen. Zahlt der Angestellte also 100 Euro monatlich in die Betriebsrente ein, muss die Firma 15 Euro dazugeben. Mitarbeiter können maximal 284 Euro pro Monat ihres Gehalts sozialversicherungsfrei umwandeln (Stand 2021).

Der Zuschuss gilt nur für bestimmte Formen der betrieblichen Altersversorgung, dazu gehören die Direktversicherung, der Pensionsfonds und die Pensionskasse.

Drei Modelle zur Auswahl

Welche Rechte und Pflichten Chefs und Mitarbeiter haben und welche Betriebsrentenmodelle zuschusspflichtig sind.

Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer

Seit 2002 hat jeder Angestellte nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) das Recht, Geld in eine Betriebsrente zu investieren. Allerdings müssen Mitarbeiter selbst ihren Anspruch bei ihrer Chefin oder beim Chef einfordern. Arbeitgeber brauchen von sich aus keine betriebliche Altersversorgung anzubieten.

Rechte und Pflichten der Arbeitgeber

Wenn Mitarbeiter eine Betriebsrente fordern, dürfen Chefs das Betriebsrentenmodell bestimmen. Wenn es um die Zahlung von Zuschüssen geht, sind Arbeitgeber dagegen in der Pflicht. Sie müssen von sich aus auf ihre Teammitglieder zugehen und erklären, in welcher Form der Zuschuss möglich ist. Die folgenden drei Betriebsrentenmodelle sind zuschusspflichtig

1. Direktversicherung

Bei einer Direktversicherung schließen Arbeitgeber für Mitarbeiter bei einem Versicherungsunternehmen eine Lebens- oder eine Rentenversicherung ab. Außerdem gibt es die Wahl zwischen einer klassischen Versicherung mit einem Garantiezins (aktuell 0,9 Prozent) und einer fondsgebundenen Police. Bei Letzterer fließen Beträge in einen Investmentfonds. Angestellte können mehr Rendite erzielen, haben aber auch ein höheres Verlustrisiko. Zusätzlich zur betrieblichen Altersvorsorge können Teammitglieder auch einen Hinterbliebenenschutz oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen – diese müssen Chefinnen und Chefs aber nicht bezuschussen.

Da die Direktversicherung eine Form der Entgeltumwandlung ist, gehen die Beiträge direkt vom Brutto ab, der Arbeitgeber leitet diese plus Zuschuss an das Versicherungsunternehmen weiter. Damit ist die Betriebsrente auch im Insolvenzfall des Arbeitgebers sicher. Aber: Kann die Versicherung die zugesagte Rente nicht zahlen, muss der Arbeitgeber den fehlenden Betrag ausgleichen. Nur unter bestimmten Bedingungen sind Unternehmer von der Haftung befreit (Mehr dazu: Betriebsrentenstärkungsgesetz: Was die „Nahles-Rente“ für kleine Betriebe ändert).

2. Pensionskassen

Pensionskassen sind eigenständige Unternehmen, zum Beispiel gegründet von einem Versicherungskonzern entweder als Aktiengesellschaft oder als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Pensionskassen verwalten das eingezahlte Geld der Mitarbeiter. Wie bei der Direktversicherung werden Beträge über die Entgeltumwandlung eingezahlt und müssen folglich mit mindestens 15 Prozent bezuschusst werden. Die Kasse legt das Geld wie bei einer Lebens- oder Rentenversicherung an.
Und: Wie bei der Direktversicherung sind Arbeitgeber von der Haftung für nicht gezahlte Renten befreit, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

3. Pensionsfonds

Pensionsfonds sind ähnlich organisiert wie Pensionskassen. Die Beiträge werden aber in Investmentfonds angelegt, was höhere Renditen bringen kann. Pensionsfonds werden ebenfalls staatlich gefördert, indem ein Teil des Gehalts steuer- und sozialabgabenfrei umgewandelt und in die Altersversorgung fließt.

Wann Firmen nicht zahlen müssen

Es gibt zwei Ausnahmen, bei denen Unternehmen keinen Zuschuss beziehungsweise weniger als 15 Prozent zahlen müssen.

Ausnahme 1: Haben Arbeitgeber sogenannte Direktzusagen vereinbart oder eine Unterstützungskasse als Rentenversicherungsmodell ausgewählt, können sie weiterhin selbst entscheiden, ob sie einen Zuschuss gewähren. Der Grund: Bei diesen Vorsorgeformen handelt es sich nicht um eine Entgeltumwandlung. Solche Betriebsrentenmodelle sind aufwendig und für kleine Firmen eher ungeeignet.

Ausnahme 2: Chefinnen und Chefs müssen nur so viel zur Betriebsrente beisteuern, wie sie aufgrund des eingezahlten Betriebsrentenbeitrags tatsächlich bei der Sozialversicherung sparen. Bei Mitarbeitern mit einem Gehalt von über 4837,50 Euro kann der Pflichtzuschuss dann unter 15 Prozent liegen. Bleibt nach Abzug des Rentenversicherungsbeitrags ein Bruttogehalt von 7100 Euro (alte Bundesländer) beziehungsweise 6700 Euro (neue Bundesländer) und mehr übrig, müssen Unternehmen gar nichts mehr zahlen. Das Gehalt liegt dann über der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung. Das heißt: Arbeitgeber und Angestellte zahlen schon das Maximum an Sozialversicherungsbeiträgen. Sie sparen also nichts, wenn in die Betriebsrente eingezahlt wird.

Wie können die Firmen ihre Zuschusspflicht umsetzen? Es gibt drei Optionen.

Option 1: Beiträge aufstocken

Am einfachsten lässt sich die Zuschusspflicht bei erst jüngst abgeschlossenen Rentenversicherungsverträgen umsetzen. Arbeitgeber brauchen lediglich den Versicherungsanbieter kontaktieren und mitteilen, dass sich der monatliche Beitrag um 15 Prozent erhöht. Bei alten Versicherungsverträgen ist eine Betragserhöhung häufig nicht möglich, vor allem, wenn die Policen einst zu höheren Zinsen abgeschlossen wurden. Lehnt die Versicherung eine Beitragserhöhung ab, bleiben noch zwei weitere Wege.

Option 2: Neuen Vertrag abschließen

Mitarbeiter können alternativ in eine neue Rentenversicherung einzahlen. Die alte Police wird aber nicht gekündigt, sondern ruht bis zur Auszahlung der Rente. Den neuen Vorsorgevertrag können Angestellte entweder beim bisherigen Versicherer abschließen. Oder Arbeitgeber wechseln den Anbieter. Letzteres kann sich durchaus lohnen: „Viele Unternehmer haben mit den Jahren bAV-Verträge verschiedener Versicherungen angesammelt“, erklärt Horoba. Nun haben sie die Chance, sich auf wenige Anbieter zu konzentrieren und damit den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. „Das machen gerade viele meiner Kunden“, sagt der Finanzberater.

Nachteil der Variante: Die Rente fällt oft kleiner aus, weil in den alten Vertrag weniger Geld eingezahlt wurde als vereinbart. Somit fällt der Zinseszins-Effekt und damit auch die Rendite geringer aus. Außerdem fangen Arbeitnehmer bei einem neuen Vertrag bei null an.

Option 3: Anteil der Mitarbeiter reduzieren

Deshalb könnte Option 3 für Angestellte attraktiver sein: Sie können ihre alten Versicherungsverträge behalten, wobei die Beitragshöhe gleich bleibt und die Firma davon mindestens ihren Pflichtanteil übernimmt.

Ein Rechenbeispiel: Bisher hat die Mitarbeiterin allein 150 Euro monatlich in eine betriebliche Altersvorsorgung eingezahlt. Die Firma übernimmt 15 Prozent der Gesamtsumme, also 22,50 Euro. Die Angestellte zahlt die übrigen 127,50 Euro ein. Insgesamt fließen unverändert 150 Euro an die Versicherung. Für diese Variante müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine neue Entgeltumwandlungsvereinbarung abschließen. Der Vertrag mit der Versicherung bleibt unberührt.

Wenn Firmen ihrer Pflicht nicht nachkommen

Wer ab Januar 2022 nicht mindestens den gesetzlich vorgeschriebenen Zuschuss an die Versicherung zahlt, kann nicht damit rechnen, dass säumige Beiträge einfach nachgezahlt werden können. Das hängt vom Versicherungsvertrag ab. Auch deshalb sollten Firmen rechtzeitig ihrer Pflicht nachkommen: Fällt die Betriebsrente wegen nicht gezahlter Zuschüsse geringer aus, muss der Arbeitgeber möglicherweise die entstandene Versorgungslücke ausgleichen. Dadurch können unvorhergesehen hohe Kosten aufs Unternehmen zukommen. Derzeit ist nicht ganz klar, wer überprüft, ob Arbeitgeber die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung werden Unternehmen dann aber wahrscheinlich mit dem Thema konfrontiert, denn: „Im Rahmen einer Betriebsprüfung, die vom Finanzamt durchgeführt wird, wird festgestellt, ob der Arbeitgeber seine gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt“, sagt Horoba. Und dazu gehört ab 2022 eben auch der bAV-Zuschuss.

Warum es sich lohnt, freiwillig mehr zu zahlen

Bevor Chefinnen und Chefs sich ans Prozentrechnen machen, sollten sie laut Finanzberater Horoba aber noch eine weitere Überlegung anstellen: „Das Gesetz gibt nur eine Untergrenze für die Arbeitgeberzuschüsse vor. Unternehmen können darüber hinaus frei festlegen, wie viel sie zusätzlich zahlen wollen – und etwas mehr ist empfehlenswert.“

Auch die Verbraucherzentrale empfiehlt einen Arbeitgeberzuschuss von mindestens 20 Prozent. Erst dann lohne sich der Rentenzuschuss auch wirklich für die Teammitglieder.

Wer dagegen nur die geforderten 15 Prozent bietet, kann knausrig wirken, erst recht wenn Unternehmerinnen und Unternehmer bislang keine Zuschüsse gezahlt haben und die Umstellung jetzt bis Januar 2022, dem Ende der Übergangsfrist, aufgeschoben haben. Außerdem ist viel Rechenarbeit erforderlich. Unternehmen müssen die genaue Beitragsersparnis bei jedem einzelnen Teammitglied ausrechnen, um den gesetzlich geforderten Mindestbeitrag zahlen zu können.

Deswegen gehen diesen Weg nur wenige Firmen, zeigt eine Studie des Hamburger Beratungsunternehmens AON aus dem Jahr 2020. Demnach zahlen die meisten der befragten kleinen und mittelständischen Betriebe ihren Mitarbeitern Festbeträge oder schießen einen höheren festen Prozentsatz zur betrieblichen Altersversorgung bei. Damit bekommt jeder Beschäftigte entweder prozentual oder absolut das Gleiche.

Wer sich zum Beispiel für pauschale Prozentsätze entscheidet, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen, braucht keine massiven Kostensteigerungen zu befürchten. Dass Angestellte mehr als 284 Euro im Monat, also über den sozialabgabefreien Betrag, sparen, ist eher unwahrscheinlich. Gutverdiener etwa, die brutto 5500 Euro oder mehr verdienen, geben im Durchschnitt 180 Euro für ihre Betriebsrente aus, zeigt eine Befragung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2019. Wer also pauschal 20 Prozent Zuschuss gewährt, muss in der Regel nicht mehr als 36 Euro pro Monat und Kopf zahlen.

Freiwillige Mehrausgaben können neben der einfacheren Handhabung noch einen weiteren Vorteil haben: „Ein hoher bAV-Zuschuss wirkt sich stärker auf das Nettogehalt aus als eine Gehaltserhöhung“, sagt der Finanzexperte Horoba. Bei einer normalen Lohnerhöhung kommt abzüglich Steuern und Sozialversicherung vielleicht netto nur die Hälfte auf dem Konto des Arbeitnehmers an. Einzahlungen in die betriebliche Altersversorgung sind nicht nur sozialabgabenfrei, sondern sogar bis zu einer Höhe von 568 Euro pro Monat steuerfrei.

Noch ein Hinweis: Der Staat will vor allem Geringverdiener beim Aufbau einer Betriebsrente unterstützen. Wer Mitarbeitern, die weniger als 2200 Euro Gehalt pro Monat bekommen, 20 bis 40 Euro Zuschuss pro Monat zahlt, bekommt vom Staat 30 Prozent des Zuschusses erstattet, also zwischen 6 Euro und 16 Euro pro Monat.

Freiwillige Mehrausgaben vertraglich absichern

Haben sich Unternehmen dazu entschlossen, mehr als den Pflichtzuschuss zu zahlen, können sie den Bonus zum Beispiel in Krisenzeiten wieder auf das Mindestmaß von 15 Prozent reduzieren. Voraussetzung dafür ist, dass eine entsprechende Klausel in der Vereinbarung über die betriebliche Altersversorgung steht.

Das sind Ihre nächsten Schritte

  1. Entscheiden Sie, in welcher Höhe Sie die betriebliche Altersversorgung Ihrer Mitarbeiter bezuschussen wollen. 15 Prozent sind das gesetzliche Minimum.
  2. Gehen Sie auf die Mitarbeiter zu und erklären Sie ihnen, was der Zuschuss bringt und was sich für sie damit gegebenenfalls ändert. Wollen oder müssen Sie zum Beispiel den Versicherer wechseln, sprechen Sie das früh an und zeigen Sie Ihren Teammitgliedern verschiedene Optionen auf. Sie können auch einen Versicherungsberater beauftragen, der Fragen der Mitarbeiter zu Vor- und Nachteilen beantworten und sich auch um die Vertragsgestaltung kümmern kann.
  3. Klären Sie bei bestehenden Policen mit dem Versicherungsunternehmen, ob diese angepasst werden können. Falls nicht, lassen Sie Ihre Mitarbeiter eine neue Versicherungsart auswählen. Sie können in diesem Zuge Ihren Angestellten auch einen anderen Versicherer vorschlagen, denn Sie haben als Chef die Wahl, welches Betriebsrentenmodell Sie anbieten wollen.
  4. Ist eine Vertragsänderung bei der Versicherung nicht möglich, denken Sie daran, die Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Ihrem Mitarbeiter so anzupassen, dass sie die neuen Zuschussregeln erfüllt.

 

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